Washington/New York. Die Beweisaufnahme im Trump-Prozess ist abgeschlossen – mit einem Rückzieher des Ex-Präsidenten. So geht das Verfahren jetzt weiter.
Der erste Strafprozess gegen einen amerikanischen Ex-Präsidenten geht ohne Aussage des prominenten Angeklagten zu Ende. Donald Trump verzichtete am Dienstagmorgen, am letzten Tag der Beweisaufnahme im Schweigegeld-Verfahren um mutmaßlich illegal verbuchte Zahlungen an den Porno-Star Stormy Daniels, auf Anraten seiner Anwälte auf einen Gang in den Zeugenstand.
Dabei hatte der 77-Jährige vorher mehrfach betont, er werde seine „Unschuld“ persönlich beweisen. Nach Angaben von Insidern aus dem Umfeld von Chef-Verteidiger Todd Blanche wäre das Risiko zu groß gewesen, dass sich Trump im Kreuzverhör mit der Staatsanwaltschaft selbst belastet und etwa bei der Frage, ob er den Seitensprung mit Daniels im Jahr 2006 weiterhin leugnet, einen Meineid riskiert.
Weil die Verteidigung des 45. Präsidenten keine weiteren Entlastungszeugen aufrief, schickte Richter Juan Merchan die zwölf Geschworenen vorzeitig in die Pause. Die Jury-Mitglieder sind gehalten, bis 28. Mai mit niemandem über den sechswöchigen Prozessverlauf zu reden.
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Am nächsten Dienstag werden Anklage und Verteidigung ihre Schluss-Plädoyers halten. Danach bekommt die Jury vom Richter exakte Instruktionen, was zur Urteilsfindung zur Hilfe genommen werden darf – und was nicht. Ab Mittwoch, wenn alles nach Plan läuft, sollen die internen Beratungen der Geschworenen beginnen. Als ausgeschlossen gilt, dass Merchan auf Drängen der Verteidigung das Verfahren doch noch platzen lässt und die Klage abweist.
Bei einer Verurteilung droht Trump eine Höchststrafe von vier Jahren
Kommen die Geschworenen nicht zu einem einstimmigen Urteil („hung jury“), kommt Trump davon. Wird er für schuldig befunden, die „hush money“-Zahlungen an Daniels (130.000 Dollar) durch Bilanz-Fälschung seines Konzerns und gegen die Bestimmungen der Wahlkampf-Finanzierungsgesetze des Bundesstaates New York bewerkstelligt zu haben, ist eine Höchststrafe von vier Jahren denkbar.
Sie könnte, weil Trump nicht vorbestraft ist, von Richter Merchan zur Bewährung oder als Hausarrest verhängt werden. Trump betonte bis zuletzt, dass eine von Präsident Joe Biden gesteuerte Gesinnungsjustiz hinter dem Prozess stecke. Einziges Ziel: Ihn, Trump, im Präsidentschaftswahlkampf zu beschädigen. Dafür gibt es keinerlei belastbare Anzeichen.
Trump nennt Richter Merchan „korrupt“
Trump sprach mehrfach von einem „korrupten Richter“, der einen Fall verhandele, den es „gar nicht gibt“. Die Anklage hatte dagegen in tagelangen Vernehmungen von Stormy Daniels und dem Kronzeugen Michael Cohen detailliert den Nachweis geführt, dass Trump 2016 unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl unter allen Umständen verhindern wollte, dass die Affäre mit Daniels an die Öffentlichkeit gerät. Diese lag damals zwar bereits zehn Jahre zurück – doch hatte Trump offenbar Angst, dies könnte seine Wahlchancen gegen die demokratische Rivalin Hillary Clinton drastisch schmälern.
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Darum, so die Staatsanwaltschaft, beauftragte er seinen damaligen Privat-Anwalt Michael Cohen, um das Stillschweigen der Erotikdarstellerin mit Geld zu erkaufen. Bei der Abwicklung sei massiv gegen Wahlkampffinanzierungsgesetze verstoßen worden.
Trumps Anwälte verlegten sich von Prozessbeginn auf die Linie, dass ihr Mandant persönlich mit der Abwicklung der Schweigegeld-Zahlung nichts zu tun gehabt habe. Vor allem den Kronzeugen Cohen stellten sie als „mehrfach erwiesenen Lügner“ dar, der auf eigene Verantwortung und aus Geldgier gehandelt habe. Hintergrund: Für die an Daniels vorgestreckten 130.000 Dollar bekam Cohen später über 40.000 Dollar von Trump zurück.
40 Prozent der Amerikaner halten Prozess gegen Trump nicht für gerechtfertigt
Wie die Jury die an drei bis vier Tagen die Woche ausgebreiteten Darstellungen von über 20 Zeugen aufnahm, ist bisher unbekannt. Ein einzelner Geschworener, der nicht mit der Mehrheit stimmt, reicht aus, um Trump zu einem Freispruch zu verhelfen. Sollte dies so kommen, würde der Republikaner nach Ansicht von Demoskopen mit einem Umfrageschub rechnen können. Über 40 Prozent der Amerikaner waren bisher der Ansicht, dass der Schweigegeld-Prozess gegen ihn nicht gerechtfertigt ist. Im Falle einer Verurteilung, deren strafrechtliche Überprüfung letztinstanzlich Monate oder Jahre dauern könnte, müsste Trump bei der Präsidentschaftswahl im November mit Nachteilen rechnen. Auch viele konservative Wähler gaben bisher an, einen verurteilten Straftäter nicht ins Weiße Haus zu wählen.