Washington/New York. Die Jury im Prozess gegen Donald Trump steht. Doch Zweifel an der Auswahl wachsen, denn ein „Schurken-Juror“ könnte alles entscheiden.

Geht man nach dem Medienkonsum der Jury, dann hat Donald Trump im New Yorker Prozess um mutmaßlich illegal verbuchtes Schweigegeld an den Pornostar Stormy Daniels nicht die besten Karten. Die überwältigende Mehrheit der zwölf mühsam ausgewählten Geschworenen informiert sich vor allem durch die New York Times – kein Medium hat in den vergangenen Jahren mehr unvorteilhafte Enthüllungen über den Ex-Präsidenten veröffentlicht als die führende US-Zeitung.

Auch ein Grund, warum der 77-Jährige vor den Eröffnungs-Plädoyers am Montag einmal mehr lautstark beklagt hat, dass ihm in seiner Heimatstadt kein fairer Prozess beschieden sei. Um in die Trump-Jury zu gelangen, mussten die aus einem 500er-Pool ausgesiebten Kandidaten 42 Fragen zu ihrem Beruf, ihren Hobbys und politischen Präferenzen beantworten.

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Zum Beispiel: Haben Sie jemals eine Wahlkampfveranstaltung Donald Trumps besucht oder an einer Anti-Trump-Kundgebung teilgenommen? Oder: Waren Sie jemals Unterstützer oder Mitglied der Antifa? Oder der rechtsradikalen Proud Boys? Sind die Anhänger des Verschwörungskults QAnon? Und: Haben Sie eine Meinung dazu, ob ein früherer Präsident in einem Bundesstaat angeklagt werden soll?

Wer sich kritisch über Trump äußerte, wurde aussortiert

Wer die Hürde nahm, hatte sich im Anschluss einem teilweise inquisitorischen Detailverhör zu unterziehen. Dabei brachten Verteidigung wie Anklage immer wieder individuelle Beiträge der Betreffenden in sozialen Medien zur Sprache. Wer in der Vergangenheit allzu Kritisches über Trump gepostet hatte, wurde meist zügig verabschiedet. Eine ältere Frau wurde nach Hause geschickt, weil sie Trump als rassistischen und sexistischen Narzissten bezeichnet hatte. „Sie hegen einen tiefen Hass für Herrn Trump”, sagte dessen Verteidigerin Susan Necheles.

In Justizkreisen besteht die Sorge, dass es dem Trump-Team gelungen sein könnte, einen mit dem Ex-Präsidenten sympathisierenden „Schurken-Juror” in das Zwölfer-Gremium eingeschleust zu haben.
In Justizkreisen besteht die Sorge, dass es dem Trump-Team gelungen sein könnte, einen mit dem Ex-Präsidenten sympathisierenden „Schurken-Juror” in das Zwölfer-Gremium eingeschleust zu haben. © DPA Images | Stefan Jeremiah

Richter Juan Merchan schloss auch einen Mann aus, der 2017 auf Facebook gefeiert hatte, wie ein Vorhaben Trumps von der Justiz gestoppt wurde. „Schafft ihn weg und sperrt ihn ein”, hatte der Mann damals gepostet. In einem anderen Fall gelang der Ausschluss nicht. Eine Frau, die über Trump sagte, er sei ein nur auf seinen Vorteil bedachter Egoist, konnte von Trumps Anwälten nicht mehr herausgefiltert werden. Der Grund: Das Kontingent von zehn Einsprüchen war erschöpft.

Die, die nun über Trump richten werden, sind Finanzfachleute, Unternehmensanwälte, Ingenieure, Lehrer, Rentner, Logopäden und Physiotherapeuten – und unter dem Strich: überdurchschnittlich gebildet. Alle kennen Trump, der seit den 1980er Jahre in New York einen Namen hat, und haben eine Meinung über ihn. Wobei das Gros betont, dass man/frau trotzdem unabhängig in seiner Schuldfrage entscheiden könne.

Geschworene bleiben anonym – aus Sorge vor Drohungen

Im Trump-Prozess lastet enormer Druck auf den Geschworenen, die für die Prozessdauer vier Mal die Woche ihr normales Leben verlassen müssen, dafür aber nur mit einer Pauschale von jeweils 40 Dollar entschädigt werden. Aus Sorge vor Drohungen und Repressalien hat Richter Juan Merchan angeordnet, dass die Geschworenen anonym bleiben müssen. Trotzdem haben Pro-Trump-Medien, etwa Fox News, aus kleinen Puzzleteilen einzelne Geschworene nahezu identifizierbar gemacht.

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Mindestens zwei sahen sich dem Druck nicht gewachsen und zogen zurück. Als Trump im Auswahlprozess einmal in Richtung der Probanden meckerte, konterte Merchan sofort: „Ich lasse nicht zu, dass in diesem Gerichtssaal Geschworene eingeschüchtert werden. Ich will das glasklar machen.”

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    Auch in Trumps Fall wurden laut US-Medien die im europäischen Rechtssystem nicht bekannten Prozessberater eingesetzt. „Trial consultants” werden teuer dafür bezahlt, Prognosen über das Abstimmungsverhalten eines potentiellen Jury-Mitglieds abzugeben. Heißt: Leute auszusortieren, die voreingenommen sind. Oder die sich hinter scheinbarer Neutralität verstecken.

    Ist es Trump gelungen, einen „Schurken-Juror“ einzuschleusen?

    Der Hintergrund, der auch bei Trump am Ende ausschlaggebend sein kann, ist ernst: Entscheidet am Ende des Verfahrens, das voraussichtlich Anfang Juni sein wird, auch nur einer der zwölf Juroren auf „nicht schuldig”, ist Trump aus dem Schneider. „Ein Freispruch würde seinem Wahlkampf einen enormen Schub geben”, sagen Juristen in Washington.

    Der Job der „trial consultants” erfuhr durch die John-Grisham-Verfilmung „Das Urteil“ vor 20 Jahren erhöhte Aufmerksamkeit. Nach der Devise „Gerichtsurteile sind viel zu wichtig, um sie Geschworenen zu überlassen“ kämpfte in dem Film der skrupellose Berater Rankin Fitch (Gene Hackman) mit üblen Tricks für die Waffenindustrie und gegen einen seriösen Anwalt (Dustin Hoffman), der sich für die Witwe eines Mordopfers einsetzte. Im Mittelpunkt steht am Ende ein sogenannter „stealth juror” (John Cusack), der den Urteilsspruch der Jury an die höchstbietende Partei verkaufen will.

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    Die Sorge, dass es dem Trump-Team gelungen sein könnte, einen mit dem Ex-Präsidenten sympathisierenden „Schurken-Juror” in das Zwölfergremium einzuschleusen, ist durchaus vorhanden. Das zeigen Gespräche mit Juristen und Anwälten in Washington. So sagte der Rechtsexperte Stephen Duffy dem britischen „Independent”: „Da sind bestimmt Kandidaten, die entweder für oder gegen ihn sind, die aber ganz bewusst ihre Meinung nicht zum Besten geben, um bei dem Prozess dabei zu sein.”