Berlin. Der ukrainische Präsident vergleicht sein Land mit Israel – und sagt, der Westen könne mehr tun. Militärexperte Masala sagt: Das hinkt.

Herr Masala, was gibt es zur Lage an der Front zu sagen?

Carlo Masala: Es ist derzeit vergleichsweise ruhig. Alle warten darauf, ob und wann Russland eine große Offensive starten wird. Das ist die entscheidende Frage. Natürlich ist Bewegung an der Front, allerdings in vielen Bereichen weniger als noch vor ein paar Wochen.

Ukraine bittet um gleichen Schutz wie für Israel
Ukraine bittet um gleichen Schutz wie für Israel

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    Der ukrainische Generalstabschef fürchtet, Russland könnte zum 9. Mai – „Tag des Sieges“ – diese besagte Offensive starten ...

    Anfang Mai ist auf jeden Fall ein realistischer Zeitpunkt.

    Der ukrainische Präsident Selenskyj fordert den Westen auf, die Ukraine ebenso stark zu schützen wie Israel. Was würden Sie ihm sagen?

    Wenn man aktiv russische Raketen und Drohnen abschießt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines direkten Konfliktes mit Russland immens. Davor schreckt der Westen zurück. Und es spielt eine Rolle, dass Russland eine Nuklearmacht ist – der Iran ist es nicht. Ich kann eine iranische Drohne abschießen, ohne dass ich befürchten muss, dass der Iran mir eine Nuklearwaffe auf den Kopf schmeißt. Im Nahen Osten stehen auf der anderen Seite dafür gleich drei Atommächte – Israel, Frankreich und die USA.

    Das bestimmende Thema der vergangenen Tage war der Angriff Irans auf Israel. Wie bewerten Sie die Ereignisse?

    Das war der erste Angriff des Irans direkt vom iranischen Territorium auf israelischen Boden. Es war ein begrenzter Angriff. Aber er war nicht nur symbolisch – dafür war es zu viel. Der Iran ist damit ein hohes Risiko eingegangen. Wenn drei oder vier ballistische Raketen abgeschossen worden wären und diese Luftwaffenbasis im Süden Israels wirklich zerstört hätten, hätte man damit in eine Eskalationsspirale reinkommen können. Die Israelis werden reagieren – wir wissen nur nicht wie. Es gibt US-Medienberichte, wonach sie nach Möglichkeiten suchen, um das gleiche Niveau zu zeigen: „Wir können Dinge bei euch zerstören, aber niemand stirbt.“ Das wird in den nächsten Tagen passieren.

    Carlo Masala: Der Militärexperte sagt, China brauche Russland – als „latente Bedrohung“ für Europa.
    Carlo Masala: Der Militärexperte sagt, China brauche Russland – als „latente Bedrohung“ für Europa. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Thomas Bartilla/Geisler-Fotopres

    Was wäre die beste Strategie für Netanjahu?

    Eigentlich wäre die beste Strategie, zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem Gegenschlag zu antworten. Das kann sich Netanjahu aber innenpolitisch kaum leisten. Wir haben eine Dynamik, in der wir nicht wissen, wie der Iran reagiert. Dass unbeabsichtigte Konsequenzen folgen, ist aktuell recht wahrscheinlich. Eine stärkere Spirale von Gewalt und Eskalation, als wir sie bislang ohnehin schon haben, könnte die Folge sein.

    Carlo Masala

    Er ist einer der bekanntesten Militärexperten in Deutschland. Masala (Jahrgang 1968) lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um den Konflikt in der Ukraine.

    Xi Jinping sagte beim Treffen mit Olaf Scholz, gemeinsam könne man „der Erde mehr Stabilität und Sicherheit einhauchen“. Müssen Sie über solche Sätze lachen?

    Das ist so ein Glückskeks-Spruch. Die Frage ist ja, was hinter verschlossenen Türen besprochen wurde. Die Chinesen sind mittlerweile die stärksten Unterstützer für eine Wiederaufrüstung der Russischen Föderation. Wenn Scholz da Zugeständnisse erwirkt hätte, wäre das schon mal ein großer Fortschritt.

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    Wie könnten solche Zugeständnisse aussehen?

    Man muss ja die Frage aufwerfen, was sich die Chinesen von der Wiederaufrüstung der Russischen Föderation erhoffen. Das lässt sich schwer beantworten. Eine Theorie ist, dass es um ihre eigene Machtposition geht. Sie wollen nicht, dass ihr Verbündeter geschwächt ist, denn sie brauchen Russland als latente Bedrohung für Europa.