Madrid. Deutschland hat seine Taurus bislang nur an Südkorea und Spanien verkauft. Die Regierung in Madrid hat vor allem einen Feind im Visier.

Beim Namen Taurus denken die spanischen Bürgerinnen und Bürger nicht an Waffensysteme, sondern eher an Waffeleisen. Der Konzern Taurus Group, der vor über 60 Jahren in einer Garage in der spanischen Provinz gegründet wurde, ist heute einer der größten Haushaltsgeräte-Hersteller Spaniens. Er vertreibt seine Kaffeemaschinen, Küchenroboter und Mikrowellen übrigens ebenfalls im deutschsprachigen Raum und ist mittlerweile zu einem Weltunternehmen geworden.

Der Taurus kann 500 Kilometer weit unter dem Radar fliegen
Der Taurus kann 500 Kilometer weit unter dem Radar fliegen

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    Dass sich hinter dem Namen Taurus auch ein von der Ukraine begehrter deutsch-schwedischer Marschflugkörper verbirgt, der in Deutschland gerade für heftigen Streit sorgt, haben bisher nur wenige Spanier mitbekommen. Dabei ist Spanien derzeit der einzige europäische Staat, der neben Deutschland die Taurus-Wunderwaffe im Depot hat.

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    Spanien bestellte 2005 insgesamt 43 Marschflugkörper beim in Bayern angesiedelten Rüstungsunternehmen Taurus Systems GmbH. Zwei Drittel des Joint Ventures gehören dem deutschen Konzern MBDA, ein Drittel gehört dem schwedischen Partner Saab Dynamics. Stückpreis für jede Luft-Boden-Rakete: knapp eine Million Euro. Zusammen mit den Kosten für die Anpassung der spanischen F-18-Kampfflugzeuge und Eurofighter zahlte Madrid 57,3 Millionen Euro.

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    Deutschland selbst besitzt rund 600 dieser Taurus-Waffensysteme, von denen aber derzeit nach Medienberichten nur noch 150 einsatzbereit sein sollen. Bei 450 der deutschen Marschflugkörper soll demzufolge die technische Zertifizierung abgelaufen sein, weil die Navigationstechnik inzwischen veraltet sei. Bundeskanzler Olaf Scholz und auch die Mehrheit des Bundestags lehnen bisher eine Taurus-Lieferung an die Ukraine ab.

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    Neben Deutschland und Spanien besitzt derzeit nur noch Südkorea Taurus-Marschflugkörper, und zwar 260. Südkorea befindet sich mit dem verfeindeten Nordkorea formal im Kriegszustand. Aber weder Spanien noch Südkorea dürfen das Waffensystem ohne Zustimmung Berlins an die Ukraine liefern. Dem Vernehmen nach fühlte Kiew bereits in Madrid vor, ob Spanien eventuell mit Marschflugkörpern helfen könnte. Das spanische Verteidigungsministerium bestätigte dies bisher nicht.

    Warum schaffte Spanien diese potenten Marschflugkörper an? Taurus ist eine luftgestützte und selbstfliegende Angriffswaffe, die, einmal vom Flugzeug abgeworfen, eine Reichweite von 500 Kilometern hat und einen 480 Kilogramm schweren Sprengkopf besitzt.

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    Spanien sieht sich vor allem von der afrikanischen Seite des Mittelmeers bedroht. Aber weniger von den nordafrikanischen Anrainern Marokko und Algerien, die als westliche Verbündete gelten. Die beiden arabischen Staaten bekommen von der EU viel Geld und Ausrüstung für die Modernisierung des Grenzschutzes, um die irreguläre Migration übers Meer Richtung Europa aufzuhalten. Als größtes Risiko sieht Spanien vielmehr islamistische Terrorgruppen, die sich im nördlichen Afrika ausbreiten und von dort nach Europa einsickern.

    Die Entscheidung zum Taurus-Kauf fiel in Madrid entsprechend unter dem Einfluss von zwei islamistischen Attentaten, die Spanien schockten: Am 16. Mai 2003 sprengten sich Terroristen im spanischen Kulturzentrum „Casa de España” in der marokkanischen Stadt Casablanca in die Luft. 23 Menschen starben. Zehn Monate später, am 11. März 2004, wurden in Spaniens Hauptstadt Madrid Bomben in vier Vorortzügen gezündet. 193 Menschen kamen um. Der Madrider Anschlag war das bis dahin schlimmste Attentat auf europäischem Boden.

    Damals wurde auch in Spanien klar, dass die Ausgaben für die Sicherheit des Landes erhöht werden müssen. Zwischen 2008 und 2010 wurden die 2005 bestellten Taurus-Geschosse an Spanien übergeben. Seitdem schlummern die Marschflugkörper in spanischen Militärdepots. Auch Waffensystem veralten: 2018, zehn Jahre nach Beginn der Auslieferung, mussten die in Spanien lagernden Taurus-Raketen technologisch modernisiert werden. Für die Überholung und den Einbau neuer Navigationstechnik machte Madrid 30 Millionen Euro locker.

    Militärkreise in Spanien: Taurus ist „mächtigste Waffe“

    Benutzt wurden nach den bisher bekannten Informationen nur drei der von Spanien gekauften Präzisionsraketen, die angeblich auf den Meter genau das einprogrammierte Ziel treffen können. Die drei Marschflugkörper kamen nach Angaben des spanischen Verteidigungsministeriums bei Tests zum Einsatz. Da Spanien über kein geeignetes militärisches Übungsgelände verfügt, fanden die Waffenversuche im Ausland statt: 2009 wurde eine Rakete in Südafrika gezündet, die anderen beiden wurden 2016 auf einem schwedischen Testareal gezündet.

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    Das Ergebnis der Tests sei „total zufriedenstellend” gewesen, verlautete aus Militärkreisen. Offenbar so zufriedenstellend, dass die spanische Armee ein Video im sozialen Netzwerk X veröffentlichte, auf dem man sieht, wie ein Taurus-Marschflugkörper von einer spanischen F-18 ausgeklinkt wird, Richtung Testziel fliegt und dort in einer mächtigen Feuerwolke explodiert. Das Video, mit dem die spanischen Luftstreitkräfte um Nachwuchs werben, ist – ganz im Stil digitaler Kriegsspiele – mit Rockmusik unterlegt.

    Ein Off-Sprecher kommentiert die Bilder so: „Wusstest du, das die Taurus KEPD-350 der Luftstreitkräfte eine Präzisionsbombe ist, die sogar in der Lage ist, millimetergenau durch ein Fenster zu fliegen und eine vier Meter dicke Mauer zu durchschlagen?” Der Kommentator schließt seine Werbebotschaft mit dem stolzen Satz: „Taurus ist zweifellos die mächtigste Waffe der spanischen Armee.”