Moskau. Aus der Präsidentschaftswahl im März wird der Kreml-Chef als Sieger hervorgehen. Dennoch kämpft eine Mutter einen aussichtslosen Kampf.

Jekaterina Dunzowa hat Mut. Die 40-jährige Russin sagt ganz offen: „Mindestens seit zehn Jahren bewegt sich das Land in die falsche Richtung: Die Weichen sind nicht auf Entwicklung, sondern auf Selbstzerstörung gestellt. Bürger können ihre Meinung nicht frei äußern, wenn sie nicht mit der Position der Behörden übereinstimmt.“ Auch deswegen will sie bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden März gegen Wladimir Putin antreten.

Die zentrale russische Wahlkommission hat ihre Registrierung allerdings verwehrt. Es habe mehrere Fehler gegeben bei der Organisation der Initiativgruppe und in den vorgelegten Dokumenten, teilte die Kommission am Samstag in Moskau mit. Den Anhängern Dunzowas zufolge wurden einzelne Buchstabendreher bei Namen als „schwere Fehler“ in den Unterlagen ausgelegt. Die Chefin der Wahlkommission, Ella Pamfilowa, gilt als enge Vertraute von Präsident Putin.

Dunzowa lebt und arbeitet als Journalistin in der Stadt Rschew in der Region Twer, 200 Kilometer westlich von Moskau. Ihr Programm beschreibt sie auf ihrer Homepage so: „Das Land braucht dringend Veränderungen: eine Einstellung der Feindseligkeiten, demokratische Reformen und die Freilassung politischer Gefangener.“ Auch die „Haushaltsprioritäten“ wolle sie ändern: „Geld für die Verbesserung des Lebens der Bürger ausgeben und nicht für neue Panzer“, heißt es mit Blick auf den Konflikt in der Ukraine.

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Geboren wurde Dunzowa in Krasnojarsk, sie studierte Jura und Fernsehjournalismus, war Abgeordnete im Stadtparlament von Rschew – in ihrer Freizeit koordiniert sie ein lokales Such- und Rettungsteam, das nach vermissten Kindern und Erwachsenen sucht. Die engagierte Frau hat selbst drei Kinder, für sie will sie antreten. „Sie fragen, was in zwei oder drei Jahren passieren wird“, sagt Dunzowa in einem Video, „in welche Länder sie gehen können, was mit ihrer Ausbildung passieren wird, mit dem Internet in Russland, wann die ‚Spezialoperation‘ endet und was unsere Ziele dort sind.“

Putin will kandidieren, seine Wiederwahl gilt als sicher

Einen ersten Vorgeschmack auf die kommende Zeit bis zur Wahl hatte die Journalistin bereits vor der Verwehrung ihrer Registrierung bekommen. 300.000 Wählerunterschriften muss sie sammeln, um als Kandidatin zugelassen zu werden. Als sich mehr als 700 Unterstützer ihrer Initiativgruppe versammelten, wurde im Saal erstmal der Strom abgestellt. Das Online-Medium SOTAvision berichtet, zwei Polizisten wären anwesend gewesen. Inzwischen wurde Dunzowa von der Staatsanwaltschaft zum Gespräch gebeten, ihre Bank blockierte Überweisungen ihrer Unterstützer. Gelder, die sie für den Druck von Flugblättern und Plakaten verwenden wollte.

Dunzowa hatte ihre nun gescheiterte Kandidatur bei der Zentralen Wahlkommission Russlands eingereicht. „Bisher haben wir Bewerbungen von 16 Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen erhalten“, sagt die Vorsitzende der Kommission, Ella Pamfilowa. Laut dem Online-Portal ng.ru seien darunter Kandidaten der fünf im Parlament vertretenen Parteien, der Oppositionspartei Jabloko, sowie Jekaterina Dunzowa. Kremlchef Wladimir Putin hatte bereits Anfang Dezember seine Kandidatur für eine fünfte Amtszeit als Präsident angekündigt. Seine Wiederwahl gilt als sicher.

Russlands Präsident Wladimir Putin
Russlands Präsident Wladimir Putin © AFP | MIKHAIL KLIMENTYEV

Gemäß der 2020 verabschiedeten Verfassungsänderung kann Putin theoretisch bis zum Jahr 2036 im Amt bleiben. Er wäre dann länger Regierungschef als Josef Stalin, der die Sowjetunion von 1924 bis 1953 führte. „Russland wird entweder ein souveräner und autarker Staat sein, oder es wird überhaupt nicht existieren“, sagte Putin in seiner ersten Wahlkampfrede auf dem Kongress der Regierungspartei Geeintes Russland. „Lasst uns die Souveränität, die Freiheit, die Sicherheit Russlands verteidigen – alles, was uns teuer ist, unsere Geschichte, unsere Kultur, unsere Werte und unsere Traditionen.“

Von Kreml-Kritiker Nawalny fehlt seit Tagen jede Spur

Unter den Kandidaten ist auch Leonid Sluzki, der Chef der nationalistischen Partei LDPR. Er werde Amtsinhaber Wladimir Putin aber „keine Stimmen wegnehmen“, sagte Sluzki vor Journalisten. Putin werde „einen enormen Sieg“ davontragen. Der 55-Jährige hatte nach dem Tod von Wladimir Schirinowski die Führung der LDPR übernommen. Kandidieren will auch der frühere Separatistenführer in der Ostukraine, der Militärblogger und Kreml-Kritiker Igor Girkin, der wegen „öffentlicher Aufrufe zum Extremismus“ im Gefängnis sitzt.

Alexej Nawalny, die bekannteste Figur in der zersplitterten Opposition Russlands, wurde bereits 2018 von der Kandidatur für politische Ämter ausgeschlossen. Im August war Nawalny zu 19 Jahren Haft im Straflager verurteilt worden. Unter anderem wegen Extremismus. Seine politische Bewegung wurde verboten, enge Mitarbeiter wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland. Nawalny weist alle Vorwürfe als politisch motiviert zurück. Inzwischen ist er seit zwei Wochen spurlos verschwunden.

Staatsmedien werfen Dunzowa Nähe zu Putin-Kritiker vor

Möglicherweise wurde Nawalny in ein anderes Straflager verlegt. „Wir haben eine Belohnung ausgesprochen für jeden, der uns verlässliche Informationen geben kann“, sagte seine Sprecherin Kira Jarmysch in einem Interview mit dem ZDF. In Moskau, Sankt Petersburg und Nowosibirsk haben Nawalnys Anhänger Plakate angebracht, auf denen für eine Kampagne gegen den russischen Präsidenten geworben wird, „Russland ohne Putin“ heißt es darauf.

Ob es Dunzowa wirklich auf die offizielle Wahlliste schafft, ist fraglich. Inzwischen beschäftigten sich auch Russlands Staatsmedien mit ihrer Kandidatur. „Unterstützt und finanziert“ würde diese vom schwerreichen Putin-Kritiker Michail Chodorkowski, der heute in London lebt. Das berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Quellen oder Belege für diese Behauptung nennt Ria nicht. Dunzowas Dokumente würden nun „innerhalb der gesetzlich festgelegten Fristen“ geprüft. Weitermachen will sie aber auf jeden Fall, „damit jeder von uns, unsere Kinder und unser Land eine Zukunft haben“.

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