Köln. Kölner Oberbürgermeisterin weiter auf Intensivstation. Verfassungsschutz: Attentäter Frank S. “Randperson“ im rechten Lager.

Die am Sonnabend bei einem Messer-Attentat schwer verletzte und tags darauf zur Oberbürgermeisterin von Köln gewählte Politikerin Henriette Reker wird bis zu ihrer vollständigen Genesung von gleich fünf Politikern in ihrem Amt vertreten. Stadtdirektor Guido Kahlen übernehme als allgemeiner OB-Vertreter die Verwaltungsführung und sei zuständig für „alles, was eine juristische Unterschrift braucht“, sagte eine Stadt-Sprecherin am Montag auf Anfrage. Die vier Bürgermeister - Elfi Scho-Antwerpes (SPD), Hans-Werner Bartsch (CDU), Andreas Wolter (Grüne) und Ralf Heinen (SPD) - wechseln sich ab bei Repräsentationsaufgaben und dem Ratsvorsitz.

Die parteilose Reker war am Sonntag mit knapp 53 Prozent als erste Frau zur Oberbürgermeisterin der viertgrößten deutschen Stadt gewählt worden. Nach dem Mordanschlag eines 44-Jährigen aus wohl fremdenfeindlichen Motiven - er hatte Reker am bei einem Wahlkampftermin im Stadtteil Braunsfeld brutal niedergestochen - wird die 58 Jahre alte bisherige Sozialdezernentin weiter im Uniklinikum intensivmedizinisch versorgt. Am Sonntagabend hatten die Ärzte eine langsame Aufwachphase aus einem künstlichen Koma eingeleitet.

Verfassungsschutz: S. war kleine Nummer

Der Attentäter Frank S. wurde von der Polizei noch am Tatort festgenommen. Medienberichten zufolge soll der Langzeitarbeitslose eine rechtsextreme Vergangenheit haben. Reker hatte sich als Kölner Sozialdezernentin für Flüchtlinge eingesetzt.

Nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes war S. eine Randperson im rechtsextremen Lager. Er sei in den vergangenen Jahren „ab und zu Mal im Internet aufgetaucht, aber er war eher eine Randperson in diesem Bereich“, sagte der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, am Montag im WDR-Hörfunk. In den 1990er Jahren habe es Hinweise gegeben, dass sich der Mann der rechtsextremen Szene, insbesondere der inzwischen verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeitspartei (FAP) anschließen wollte.

Attentäter in Untersuchungshaft

Im Internet gebe es eine unglaubliche Zunahme der Hetze gegen Flüchtlinge und Aufnahmeeinrichtungen, sagte Freier. Wenn es im Internet so etwas wie virtuellen Applaus für Hetze gebe, dann könnten „schnell aus Worten Taten werden“. Viele der Täter kämen gar nicht aus dem organisierten Rechtsextremismus, sondern aus dessen Umfeld, sagte Freier weiter. „Wir gehen davon aus, dass rechtsextremistische Parteien und Organisationen diese Hetze im Internet bewusst schüren.“

Der Angreifer sitzt wegen versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Er hatte laut Polizei fremdenfeindliche Motive für seine Tat genannt.

Regierung: "Nicht über Motive diskutieren"

Die Bundesregierung verurteilte die Messerattacke am Montag noch einmal scharf. „Es kann überhaupt gar keine Rechtfertigung dafür geben, einem anderen Menschen ein Messer in den Hals zu stoßen“, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. „Wir sollten dem Täter nicht auf den Leim gehen, indem wir hier auch noch ernsthaft über seine angeblichen Motive diskutieren.“

Seibert sagte, die gesamte Bundesregierung wünsche Reker die notwendige seelische und körperliche Kraft für ihre Genesung. Zuvor hatte sich bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bestürzt über das Attentat geäußert. Sie wünsche der Kandidatin und den anderen Verletzten des Anschlags Kraft und hoffentlich baldige Genesung, erklärte sie über Twitter.

Muslim-Rat warnt vor Entpolitisierung

Derweil warnt der Zentralrat der Muslime in Deutschland angesichts des Attentats auf Reker davior, Terror von Rechtsradikalen zu entpolitisieren. „Dadurch werden wir dem Ernst der Lage nicht gerecht“, sagte der Zentralrats-Vorsitzende Aiman Mazyek der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montagsausgabe). Wenn der Täter von Köln als Langzeitarbeitsloser dargestellt werde, dann werde damit sein rechtsradikales Vorgehen subtil verharmlost.

„Letztendlich hat der Täter nach einem rassistischen Tatmotiv gehandelt, das er selbst an Ort und Stelle zum Ausdruck gebracht hat“, erklärte Mazyek. Bei religiösem Extremismus werde zu keinem Zeitpunkt verharmlost, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Und das sei im Grundsatz richtig.

Allerdings werde dabei oft übertrieben politisiert, indem eine Tat zum Beispiel einseitig dem Islam zugewiesen werde. Dagegen rechneten auch Sicherheitskreise dem rechtsextremen Spektrum bisweilen nicht das politische Gewicht zu, das es tatsächlich habe.

Mazyek befürchtet Pegida-Aufschwung

Die „Pegida“-Bewegung hat sich nach Einschätzung Mazyeks in Teilen zunehmend radikalisiert. „Ich fürchte, dass gerade jetzt im Zuge der Flüchtlingsfrage 'Pegida' unverhofft wieder Wind in die Segel geblasen wird.“ Er habe den Eindruck, dass in der gesellschaftlichen Debatte insgeheim auf die Parolen von „Pegida“ zumindest Rücksicht genommen werde. Die hochgefährliche Seite der Bewegung dürfe aber keinesfalls unterschätzt werden.