Sie war erst 20 und Ex-Freundin eines Neonazis, der verbrannt ist. Schwächt der Tod der die Anklage gegen NSU-Frau Beate Zschäpe?
Stuttgart/München. Die mutmaßlichen Rechts-Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) haben offenbar mehr Unterstützer gehabt als bislang gedacht. Aber während der Prozess gegen Beate Zschäpe in München läuft, geschehen mysteriöse Dinge rund um Zeugen – bis hin zum Tod von Menschen, die aussagen sollen. Nach dem überraschenden Tod einer jungen Frau, die bereits als Zeugin im NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags ausgesagt hatte, soll eine Obduktion für Klarheit sorgen. Die 20 Jahre alte Frau war am Sonnabend nach einem Krampfanfall in ihrer Wohnung gestorben, wie Polizei und Staatsanwaltschaft in Karlsruhe mitteilten.
Bei der Toten handelt es sich um eine Ex-Freundin von Florian H., einem ehemaligen Neonazi, der im Herbst 2013 in einem Wagen in Stuttgart verbrannt war. Florian H. soll angeblich gewusst haben, wer die Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn getötet hat. Der Mord wird dem NSU zugerechnet. Am Tag seines Todes hatte H. noch einmal von der Polizei befragt werden sollen.
Die 20-Jährige war Anfang März vom NSU-Ausschuss in nicht-öffentlicher Sitzung vernommen worden, weil sie zuvor erklärt hatte, sie fühle sich bedroht. Ein Sprecher der Polizei Karlsruhe sagte am Sonntagabend, bislang gebe es keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden. Der Vorsitzende des NSU-Ausschusses, Wolfgang Drexler (SPD), sagte der Deutschen Presse-Agentur, es wäre fahrlässig, über die Todesursache zu spekulieren. „Wir warten das Ergebnis ab.“
Der Untersuchungsausschuss soll die Verbindungen der rechten Terrorzelle in den Südwesten Deutschlands und mögliches Behördenversagen genauer betrachten. Den NSU-Terroristen werden eine überwiegend rassistisch motivierte Serie von zehn Morden, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle zugeschrieben.
Der Mord an der Polizistin Kiesewetter ist der vermutlich mysteriöseste, der dem NSU zugeschrieben wird. Sie saß in Heilbronn mit einem Kollegen im Auto, als sie getötet wurde. Ihr Kollege überlebte schwerverletzt. Hatte sie Kontakte zum NSU? Oder kannte die aus Thüringen stammende Polizistin Beate Zschäpe, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt aus anderen Zusammenhängen?
Das Trio hätte einem Bericht des „Focus“ zufolge schon 1998 – zwei Jahre vor dem ersten Mord – gefasst werden können. Wie das Magazin unter Berufung auf vertrauliche Akten berichtet, gingen die Fahnder des Thüringer Landeskriminalamts (LKA) damals Hinweisen zum Aufenthaltsort des untergetauchten Trios nicht hinreichend nach.
Dabei gehe es um abgefangene SMS von NSU-Unterstützern, in denen diese über die Einrichtung einer Wohnung schreiben, in die Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe später einzogen. Dem „Focus“ zufolge wäre es auf Grundlage dieser Informationen möglich gewesen, die Unterstützer zu beschatten und dadurch die Adresse der Wohnung, die ein Strohmann aus der Szene angemietet hatte, ausfindig zu machen.
Das LKA erklärte dazu, die Akten hätten unter anderem den Untersuchungsausschüssen im Bundestag und im Thüringer Landtag zur Verfügung gestanden. Das die Unterlagen im Erfurter Untersuchungsausschuss eingesehen werden konnten, bestätigte auch die Linke in Thüringen. Außerdem lägen die Akten laut LKA seit 2011 auch dem Bundeskriminalamt und dem Generalbundesanwalt vor.
Unterdessen hat die Verteidigung von Zschäpe Polizei und Verfassungsschutz in Thüringen ungesetzliche Ermittlungsmethoden vorgeworfen. Mehrere Beweismittel dürften darum im NSU-Prozess nicht verwendet werden, forderte Rechtsanwältin Anja Sturm. Die Hauptangeklagte Zschäpe muss sich wegen Mittäterschaft an zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen sowie Banküberfällen des NSU verantworten.
Die Vorwürfe ihrer Verteidiger beziehen sich auf Durchsuchungen in einer von Zschäpe gemieteten Garage und in Kellerräumen einer ihrer früheren Wohnungen Ende der 90er Jahre. Das Landeskriminalamt Thüringen habe damals den Verfassungsschutz um Hilfe bei der Observation Zschäpes und ihrer beiden mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gebeten. Das sei wegen der gesetzlichen Trennung zwischen Polizei und Geheimdienst aber verboten, sagte Anwältin Sturm.
In der von Zschäpe gemieteten Garage hatten die Ermittler im Januar 1998 eine Bombenwerkstatt gefunden. Zur selben Zeit war das Trio untergetaucht. Die Verteidiger kritisierten weiter, die Behörden hätten unerlaubt eine Blutprobe Zschäpes auf DNA untersucht. Die Bundesanwaltschaft will nach der Osterpause antworten, hieß es am Rande der Verhandlung.