Kanzlerin Angela Merkel überrascht mit der neuen Verteidigungsministerin. Die erste Frau mit türkischen Wurzeln in der Regierung ist eine Hamburgerin.

Berlin/Hamburg. Drei Monate nach der Bundestagswahl ist die dritte Große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik startbereit. Der SPD-Vorstand billigte am Sonntag einstimmig den Koalitionsvertrag und die Besetzung der sechs SPD-Ministerposten in der künftigen Regierung. CDU und CSU wollen am Sonntagabend die Namen ihrer Minister bekanntgeben.

Größte Überraschung im Kabinett ist der Wechsel der bisherigen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an die Spitze des Verteidigungsministeriums. Sie löst nach Angaben aus Unionskreisen Thomas de Maizière ab, der ins Innenministerium zurückkehrt. Die SPD-Führung segnete die Personalvorschläge von Parteichef Sigmar Gabriel einstimmig ab. Gabriel selbst soll als Superminister für Wirtschaft und Energie die Energiewende umsetzen, Frank-Walter Steinmeier wird ein zweites Mal Außenminister.

Die SPD-Basis hatte den Koalitionsvertrag zuvor mit großer Mehrheit gebilligt und damit den Weg für die neue Regierung freigemacht. Der Koalitionsvertrag soll am Montag unterzeichnet werden. Die Vereidigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Kabinetts ist für Dienstag geplant.

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Der bisherige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) soll das Landwirtschaftsministerium übernehmen, berichtete „Spiegel online“. Für Verbraucherschutz wird Friedrich anders als seine Vorgänger aber nicht mehr zuständig sein, darum soll sich künftig Justizminister Heiko Maas (SPD) kümmern.

Für den Posten des Entwicklungshilfeministers ist nach verschiedenen Berichten der bisherige Staatssekretär im Agrarministerium, Gerd Müller, im Gespräch. Der CSU-Politiker habe sich schon bisher mit entwicklungspolitischen Fragen beschäftigt.

Das um die Zuständigkeit für die digitale Infrastruktur erweiterte Verkehrsministerium werde der bisherige CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt übernehmen, berichtete „Spiegel online“. Er muss dafür auf den Bereich Bau verzichten, der dem Umweltministerium zugeschlagen wird.

Als Finanzminister gesetzt ist Amtsinhaber Wolfgang Schäuble (CDU). Das Gesundheitsministerium soll an CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe gehen. Auf Kanzleramtschef Ronald Pofalla, der sich offenbar aus der Politik zurückziehen will, soll der bisherige Umweltminister Peter Altmaier folgen. Gröhes Generalsekretärs-Job soll der 39-jährige hessische Bundestagsabgeordnete Peter Tauber übernehmen. Das erfuhren das „Handelsblatt“ und die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen. Tauber gehört zu der Gruppe jüngerer Christdemokraten, die eine einseitige Belastung ihrer Generation durch den schwarz-roten Koalitionsvertrag beklagt hatten.

Bei der SPD bot die Bekanntgabe der Postenverteilung am Sonntag keine weiteren Überraschungen. Die bisherige Generalsekretärin Andrea Nahles wird Arbeits- und Sozialministerin, Familienministerin wird die bisherige Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Parteivize Manuela Schwesig. Das Amt des Justiz- und Verbraucherschutzministers übernimmt der saarländische SPD-Chef Maas. Umwelt- und Bauministerin wird die bisherige Partei-Schatzmeisterin Barbara Hendricks, die als enge Vertraute der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gilt.

Die stellvertretende Parteivorsitzende Aydan Özoguz wird im Kanzleramt Staatsministerin für Integration. Damit werde „erstmals eine Frau mit türkischen Wurzeln am Kabinettstisch sitzen“, sagte Gabriel. Die direkt gewählte Hamburger Abgeordnete ist mit Innensenator Michael Neumann (SPD) verheiratet.

Die SPD hatte ihre Beteiligung an der Großen Koalition von einem erfolgreichen Mitgliederentscheid abhängig gemacht. Die Parteibasis bestätigte Gabriels Kurs mit großer Mehrheit: Gut 75 Prozent der Mitglieder stimmten dem Koalitionsvertrag zu, wie die Auszählung ergab. Die Beteiligung an dem Referendum war sehr hoch: Knapp 370.000 der 470.000 SPD-Mitglieder gaben ihre Stimme ab. Knapp 24 Prozent lehnten die Koalition mit der Union ab. Gabriel bedankte sich ausdrücklich auch bei ihnen. „Sie sind genauso gute und engagierte Sozialdemokraten, wie die, die mit Ja gestimmt haben“, betonte er.