Wirtschaftsministerium des Bundes gab Zuschuss für umstrittene Seminare. Grüne sprechen von Fördermitteln zum Abzocken vom Patienten.
Hamburg/Berlin. Ärzte sind Heiler – und Verkäufer von medizinischen Leistungen. Bei den individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), die die gesetzlichen Krankenkassen nicht erstatten, geht es um eine zusätzliche Krebsvorsorge, Reise-Impfungen, Atteste für Fallschirmspringen oder Tauchen oder auch um eine weitere Ultraschalluntersuchung für Schwangere, die ganz sicher sein wollen, wie sich ihr Baby im Bauch entwickelt. Und diese IGeL-Leistungen, die Ärzte ihren Patienten anbieten und in Rechnung stellen, sind in die Kritik geraten. Weniger wegen des medizinischen Nutzens, als vielmehr wegen der Methoden, mit denen sie vermarktet werden.
So mussten die Bundesregierung und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) auf Nachfrage der Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender zugeben, dass sie Seminare bezuschusst, auf denen Ärzte lernen, wie man diese IGeL-Leistungen profitträchtig an die Patienten bringt. Das heißt: Wie der Gemischtwarenhändler lernt, die Milch appetitlich neben die Bananen zu stellen, um Kunden anzulocken, sollen Ärzte den Teil ihrer Arbeit besser verkaufen, der ihnen ein Zubrot einbringt. Dafür gab es Zuschüsse vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), ergab Benders Anfrage.
+++ Lesen Sie hier Hinweise für Patienten und Ärzte für die korrekte IGeL-Behandlung +++
Das Bafa wurde dadurch bekannt, dass es im Jahr 2009 die Abwrackprämie für die Autos auszahlte, wenn sich Bürger ihrer Rostlauben entledigt und sich einen Neuwagen gekauft haben.
Bender spricht von „staatlichen Fördermitteln für die Patientenabzocke“. Die Anfrage und die Antwort der Bundesregierung liegen abendblatt.de vor. Die Grünen-Expertin Bender sagte: „Die Bundesregierung rechtfertigt die staatlichen Fördermittel für Verkaufstrainings für Individuelle Gesundheitsleistungen damit, dass Ärzte/Ärztinnen zum antragsberechtigten Kreis der Freien Berufe gehörten und dass konkrete Produkte und Dienstleistungen vor einer Förderentscheidung grundsätzlich nicht bewertet werden würden. Damit macht es sich die Bundesregierung zu einfach. Denn solche Verkaufstrainings unterstützen eine einseitige, tendenziöse ,Aufklärung’ der Patientinnen und Patienten, zerstören das Arzt-Patienten-Verhältnis und richten gesundheitlichen und finanziellen Schaden an, der zum Teil von allen Versicherten zu tragen ist.“ Ärzte seien keine „normalen“ Wirtschaftseinheiten, deren Umsatz „ohne Rücksicht auf die Konsequenzen“ gesteigert werden müsse.
Jetzt will auch die Bundesregierung die Förderung von Marketingseminaren überprüfen, in denen Ärzte für den IGeL-Verkauf trainiert wurden. Grundlage für die bisherige Förderpraxis sei eine Richtlinie zur Entwicklung unternehmerischen Know-hows für kleine und mittlere Betriebe sowie Freie Berufe, erklärte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.
In Hamburg werden Ärzte für solche Fortbildungen nicht honoriert. Wie Sprecherinnen von Kassenärztlicher Vereinigung und Ärztekammer sagten, seien „verkaufsfördernde“ Seminare für IGeL-Leistungen in Hamburg nicht bekannt. Außerdem würden sie, so eine Sprecherin der Ärztekammer nicht mit Fortbildungspunkten belohnt. Ärzte müssen sich in regelmäßigen Abständen fortbilden, um auf dem letzten Stand des medizinischen Fortschritts zu sein. Dafür erhalten sie Punkte, die sie in einem gewissen Zeitraum nachweisen müssen. Die Ärztekammer Niedersachsen hat jedoch Fortbildungen im Angebot, die darauf abzielen, dass Ärzte „erfolgreich IGeL-Leistungen anbieten“.