Die Kanzlerin warnt vor Scheinlösungen auf dem Gipfel. Sie weigert sich weiter gegen Euro-Bonds, bietet aber Einnahmen aus der Finanzsteuer an.
Einen Tag vor dem EU-Gipfel prallen die Forderungen zur Lösung der Schuldenkrise hart aufeinander. Während die Ministerpräsidenten von Italien und Spanien wegen steigender Zinskosten weitreichende Beschlüsse des Gipfels fordern, bekräftigte Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Widerstand gegenüber jeder Form von gemeinsamer Haftung. In ungewöhnlich deutlichen Worten warnte sie am Mittwoch im Bundestag vor „Scheinlösungen und Augenwischerei“. Deutschland will den Euro-Partnern aber mit neuen Milliarden-Hilfen und Änderungen beim dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM entgegenkommen. Zum Auftakt eines Vorbereitungstreffens bekannten sich Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande am Abend in Paris zu einer weiteren EU-Integration und betonten, es seien bereits Fortschritte bei den Arbeiten an einem Wachstumspakt erreicht worden, der vom Gipfel verabschiedet werden solle.
Merkel sagte bei ihrer Ankunft in Paris, Europa sei „in einer ernsten Situation. Europa müsse nun seine Stärke, seine Einheit und Einigkeit zeigen, sagte Hollande. Man brauche so viel Integration wie möglich und soviel Solidarität wie nötig. Merkel betonte, die EU müsse ein funktionierendes Europa bauen, „darauf schauen die Märkte“. Es gehe um die politische Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion.
Wegen der hohen Zinsen für neue Kredite dringen Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy und sein italienischer Kollege Mario Monti darauf, dass die EU und die Euro-Staaten die Finanzmärkte stabilisieren müssten. „Wir können uns zu den derzeitigen Preisen nicht für lange Zeit aus eigener Kraft finanzieren“, warnte Rajoy. Monti hatte bereits am Dienstabend im Parlament energische EU-Beschlüsse gefordert, für die er notfalls bis Sonntagabend verhandeln wolle. „Gemeinsame europäische Lösungen sind nötig, um zu verhindern, dass einige Mitglieder in die Falle der Rezession schlittern.“
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Merkel warnte aber in einer Regierungserklärung vor überhöhten Erwartungen an den Gipfel. Es gebe keinen Befreiungsschlag in der Schuldenkrise. Um das Vertrauen der Welt in Europa zurückzugewinnen, seien eine klare Haushaltskonsolidierung, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und intelligente Wachstumsimpulse nötig. Der Gipfel werde einen Zeitplan beschließen, wie die EU bei weiteren Integrationsschritten voranschreiten wolle.
Nötig ist aus ihrer Sicht eine Vollendung der Währungsunion durch eine politische Union und mit klaren europäischen Eingriffsrechten auch in nationale Haushalte, wenn sich EU-Regierungen nicht an die gemeinsamen Regeln halten.
Zugleich warnte Merkel die EU-Partner davor, wieder nur eine Debatte über leichtere Finanzhilfen und gemeinschaftliche Haftungen führen zu wollen. Politisch erzwungene Euro-Bonds mit gleichen Zinssätzen für unterschiedliche starke Länder wären nur „die Wiederholung eines alten Fehlers der Währungsunion“. Sie erwarte kontroverse Diskussionen in Brüssel gerade wegen der deutschen Position, werde aber vermeintlich einfache Lösungen nicht akzeptieren, sagte sie.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kritisierte Merkels Europa-Politik als falsch und zu zögerlich. „Sie waren nicht Teil der Lösung. Sie sind und waren Teil des Problems“, kritisierte er.
Die Bundesregierung will ihren Euro-Partnern in mindestens drei Punkten entgegenkommen: Merkel will Euro-Staaten mit neuen Hilfen dabei unterstützen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. „Zum Beispiel könnte man sich vorstellen, dass Einnahmen der Finanztransaktionssteuer genau dafür verwendet werden“, sagte sie. Bisher wollte die Bundesregierung die Steuer in den nationalen Haushalt fließen lassen und hatte bereits Einnahmen von jährlich zwei Milliarden Euro ab 2014 eingeplant.
Die Regierungsfraktionen hatten zudem bereits am Dienstag einen Änderungsantrag zum ESM-Vertrag beschlossen, von dem Spanien profitieren dürfte, das Hilfen aus dem Rettungsschirmen beantragt hat. So soll es möglich sein, dass Kredite direkt in einen nationalen Bankenrettungsfonds eingezahlt werden können. Damit würden die Hilfen nicht beim nationalen Defizit eines Landes mitgerechnet, obwohl der Staat weiter für die gezahlten ESM-Mittel haftet und diese auch weiter nur gegen Konditionen erhält.
Außerdem deutete Unions-Fraktionschef Volker Kauder an, dass bei ESM-Krediten im Einzelfall der bevorzugte ESM-Gläubigerstatus gestrichen werden könnte. Dadurch soll verhindert werden, dass private Investoren den Kauf von Staatsanleihen meiden, weil sie fürchten, dass ihre Forderungen im Krisenfall gegenüber dem Fonds nachrangig behandelt werden könnten. (rtr)