Die Finanzkrise wird von einem EU-Gipfel zum nächsten immer gefährlicher. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Der Druck auf Angela Merkel ist groß.
Brüssel. Brandgefährlich ist die Krise, die vor den 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union liegt. Da glimmt keine Lunte. Aus einigen Fenstern des Hauses Europas züngeln schon Flammen. Verlangende Blicke richten sich an diesem heißen und schwülen Donnerstag in Brüssel auf die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Und die Ansichten darüber, wie man am besten löscht, gehen weit auseinander.
Die Bewältigung der Finanzkrise, die Rettung des Euro als vertrauenswürdige Währung und die Verhinderung der Pleite in den schwergewichtigen Euro-Staaten Spanien und Italien – das alles ist schwierig.
Also befasste sich der Gipfel zunächst mal mit dem vergleichsweise Einfachen. Er feilte an einem Wachstumspakt: 120 bis 130 Milliarden Euro sollen für mehr Wachstum ausgegeben werden. Frankreichs Präsident François Hollande hatte das seinen Wählern versprochen - und es fügte sich, dass ein Teil des Geldes, ohnehin schon im Haushalt vorgesehen, nur noch einen anderen Namen bekommen musste.
Erst beim Abendessen sollte es ans Eingemachte gehen. Neben der eher glanzlosen Verabreichung von fester Nahrung aus der Ratskantine standen die großen Krisen auf dem Menü. Es sind zwei: Erstens haben Spanien und Italien akute Probleme, sich wegen steigender Zinsen von derzeit rund sieben Prozent noch Geld auf den Kapitalmärkten zu leihen. Mariano Rajoy (Spanien) und Mario Monti (Italien) warnen, lange würden sie das nicht mehr durchhalten. Eine Zahlungsunfähigkeit der viert- und der drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone jedoch würde möglicherweise die Existenz des Euro bedrohen, sagen Diplomaten. Griechenland wäre nichts gegen diese Krise.
+++ Mitgliedsstaaten diskutieren in Brüssel über Machtverzicht +++
+++ EU-Ratspräsident fordert Reform der Währungsunion +++
Zweitens streiten die 17 Regierungschefs der Euro-Zone heftig um die längerfristige Entwicklung. Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte empfohlen: Die Euro-Staaten müssen in ihrer Haushaltspolitik eine strikte EU-Kontrolle akzeptieren, das Haushaltsrecht der nationalen Parlamente wird beschnitten – und im Gegenzug könne dann auch über gemeinschaftliche Schulden nachgedacht werden. "Ich fürchte, dass auf dem Europäischen Rat wieder viel zu viel über alle möglichen Ideen für eine gemeinschaftliche Haftung und viel zu wenig über verbesserte Kontrollen und Strukturmaßnahmen gesprochen wird“, hatte Merkel kurz vor der Abreise nach Brüssel formuliert.
Dort war die Kanzlerin ziemlich alleine. Deutschland bekommt – im Gegensatz zu Italien und Spanien – Geld praktisch zu Null-Zinsen nachgeworfen. Und der Druck, Deutschland möge mit seinem guten Namen und notfalls auch mit eigenem Geld für Schulden der notleidenden Euro-Südschiene einstehen, war groß.
Eine Banklizenz für den Europäischen Stabilitätsmechanismus und einen europäischen Schuldenfonds empfahl Kanzler-Kollege Werner Faymann aus Österreich. Er räumte ein: "Das geht in Richtung Eurobonds.“ Aber davon wollte Merkel nichts wissen. Sie ist überzeugt, dass Eurobonds nur "Scheinlösungen“ seien, dass die Eurobonds den Reformdruck von den ausgabefreudigen Regierungen nehmen würden.
Während die "Chefs“ im großen Oval des Gipfelsaales redeten, überlegten Experten bereits, was man tun könne, um in Spanien und Italien die Katastrophe abzuwenden. Monti hatte den Einfall, dass die EZB ab einer gewissen Zinsschwelle Staatsanleihen kauft und dass diese Käufe von den Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM garantiert werden. Schwierig ist das aber alles, egal was kommt – und für ein Land wie Deutschland mit klaren Verboten des Grundgesetzes ganz besonders.
Aber noch am Freitag wollten die 17 Regierungschefs auch als Eurogruppe zusammentreten. Und spätestens dann werden sie den Sorgenkindern Spanien und Italien etwas Konkretes sagen müssen. Der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) meinte, auch die Kanzlerin werde sich noch bewegen: "Man kann nicht immer zu allem Nein sagen. Man kann mit einer Position in einen Gipfel gehen. Aber man muss sicher auch sehen, dass man am Ende mit einer Kompromisslösung rauskommen muss.“