Bislang keine Hinweise auf einen Anschlag beim Papst-Besuch oder am 11. September. 3000 gewaltbereite Islamisten in Deutschland.
Berlin. Nachdem die Terroververdächtigen in Berlin festgenommen wurden, wurden auch neue Zahlen veröffentlicht: Der Berliner Verfassungsschutz schätzt die Zahl gewaltorientierter Islamisten in der Bundeshauptstadt auf rund 450. In Deutschland lebten 2010 den Angaben zufolge knapp 3.000 gewaltorientierte Islamisten.
Was wollten die beiden Männer mit den Chemikalien? Ein Attentat wie in der norwegischen Hauptstadt Oslo verüben? Papst Benedikt XVI. bei seinem Berlin-Besuch am 22. und 23. September attackieren? Oder kurz vor dem Jahrestag des 11. September ein Zeichen des Terrors setzen? Die Polizei in Berlin hat möglicherweise ein Attentat verhindert. Nach monatelangen Ermittlungen wurden zwei Tatverdächtige festgenommen. Es handelt sich um einen 24-jährigen Deutschen libanesischer Herkunft und einen 28-Jährigen aus dem Gazastreifen. Beiden wird laut Staatsanwaltschaft die Vorbereitung einer „schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ vorgeworfen. Der 24-jährige Hauptverdächtige wurde nach Angaben der „Berliner Morgenpost Online“ von einem Sondereinsatzkommando (SEK) überwältigt. Er soll laut „Bild.de“ an der Humboldt-Universität Medizin studieren. Kurz darauf sei der zweite Mann festgenommen worden, heißt es.
Beide Männer sollen sich regelmäßig in einem Islamischen Kulturzentrum für religiöse Aufklärung (Ar-Rahman-Moschee) im Stadtteil Wedding aufgehalten haben, das mit einem Großaufgebot der Polizei durchsucht wurde. Gegen den Verein selbst werde nicht ermittelt. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat die Festnahme als „guten Fahndungserfolg“ gewürdigt. „Er zeigt, dass die Sicherheitsbehörden wachsam sind“, sagte Wowereit. „Falls sich der Verdacht bestätigt: Herzlichen Glückwunsch an die Polizei.“
Die Männer sollen sich chemische Substanzen beschafft haben, mit denen es möglich wäre, einen Sprengsatz herzustellen, sagte ein Polizeisprecher. Sie sollen sich dazu bereits vor Monaten zahlreiche Kühlelemente und eine in der Landwirtschaft benutzte Säure besorgt haben, schreibt „Morgenpost Online“. Neben dem Objekt in der Tromsöer Straße wurden laut Polizei auch die Wohnungen der Männer in der Heinrich-Schlusnus-Straße in Neukölln und in der Urbanstraße in Kreuzberg durchsucht. Insgesamt waren rund 230 Beamte im Einsatz. Der Generalbundesanwalt hat das Verfahren bisher nicht an sich gezogen. Geleitet werden die Ermittlungen von der Berliner Staatsanwaltschaft.
Es gibt jedoch keine Hinweise auf Gefahren für den Papstbesuch. Auch für Anschlagsplanungen anderer Art gebe es bislang kein Indiz, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei. Überdies gelte für die Visite Benedikts XVI. am 22. und 23. September in der Hauptstadt bereits die höchste Gefährdungsstufe mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen, so die Polizei. Diese würden bei jedem Staatsbesuch individuell angepasst, etwa wenn es zu Begegnungen mit Publikum komme.
Der Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel sagte der dpa, bislang wisse man nichts von einem konkret geplanten Anschlag oder einem konkreten Ziel. Ein Polizeisprecher sagte: „Wir haben keinen Hinweis darauf, dass hier am 11. September eine Bombe hochgehen sollte.“ Der Generalbundesanwalt war nicht in die Ermittlungen eingeschaltet.
Angesichts der Festnahme mutmaßlicher Attentäter in Berlin hat der innenpolitische Sprechers der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, zu Besonnenheit in der politischen Debatte über Terrorismus aufgerufen. Es gelte, die Ermittlungsergebnisse abzuwarten und nicht voreilig über mögliche Maßnahmen zu spekulieren, sagte Wiefelspütz der Nachrichtenagentur dapd.
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, sieht einen Hinweis darauf, „dass Deutschland nicht gefeit ist vor Anschlägen“. Der Erfolg der Berliner Polizei belege zwar, dass die Sicherheitsbehörden bei der Terrorabwehr gut aufgestellt seien. „Es zeigt aber auch, dass gewaltbereite Islamisten kein Hirngespinst sind, sondern dass auch in Deutschland Terroranschläge jederzeit möglich sind“, sagte Wendt dem „Handelsblatt“. Mit Blick auf den Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 fügte er hinzu, die Polizei werde den „Überwachungsdruck gegenüber der islamistischen Szene aufrechterhalten“. (dpa/KNA/dapd)