Das Verfassungsgericht hat Klagen gegen die Euro-Hilfen an Griechenland zurückgewiesen. Der Bundestag soll aber stärker beteiligt werden.
Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwochvormittag drei Verfassungsbeschwerden als unbegründet abgewiesen und damit die milliardenschweren Euro-Hilfen Deutschlands unter Auflagen gebilligt. Die beiden entsprechenden Gesetze vom Mai 2010, die gigantische Garantiesummen für Griechenland und andere hochverschuldete Euro-Länder vorsehen, sind laut dem Urteil mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Bundestag habe durch die Verabschiedung der Gesetze weder sein Budgetrecht noch die Haushaltsautonomie zukünftiger Bundestage unzulässig beeinträchtigt.
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle betonte aber, das Urteil dürfe „nicht fehlgedeutet werden in eine verfassungsrechtliche Blanko-Ermächtigung für weitere Rettungspakete“. Das Gericht machte Auflagen, die die Beteiligung des Bundestages bei der Gewährung von Bürgschaften an hochverschuldete Euro-Staaten stärken. Das Bundesverfassungsgericht überprüfe, ob im Rahmen der grundrechtlichen Vorgaben gehandelt wurde und inwieweit das Demokratieprinzip verletzt wurde. Das konnten die Richter nicht erkennen, auch das Euro-Stabilisierungsgesetz sei nicht verfassungswidrig.
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Das Budgetrecht des Bundestages habe eine „zentrale Rolle“ bei der politischen Willensbildung. Die Bundesregierung müsse deshalb bei der Übernahme einzelner Gewährleistungen im Rahmen des Euro-Rettungsschirms grundsätzlich die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestages einholen. Es genüge nicht für die Bundesregierung, „Einvernehmen“ mit dem Ausschuss herzustellen. „Jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs“ müsse vom Bundestag im Einzelnen bewilligt werden, heißt es im Urteil. Auch bei der praktischen Verwendung der Mittel müsse ausreichender parlamentarischer Einfluss gesichert sein. Der Bundestag dürfe sich keinen Finanz-Mechanismen ausliefern, die zu nicht überschaubaren und für den Haushalt bedeutsamen Belastungen führen könnten, ohne dass der Bundestag erneut zustimme.
Aus Sicht des Verfassungsgerichts ist aber aktuell gewährleistet, dass sich Deutschland keinem unüberschauberen „Automatismus“ einer Haftungsgemeinschaft unterwirft. Keines der beiden angegriffenen Gesetze begründe oder verfestige einen Automatismus, durch den der Bundestag sich seines Budgetrechts entäußern würde. Das im Grundgesetz verankerte Wahlrecht sei nicht verletzt.
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Das mit Verfassungsbeschwerden angegriffene deutsche Gesetz zum Euro-Rettungsschirm vom Mai 2010 sieht vor, dass Deutschland mit maximal 147,6 Milliarden Euro haften könnte – und zwar mit Bürgschaften für Notkredite des Euro-Krisenfonds EFSF. Nach dem ebenfalls angegriffenen Gesetz zum ersten Hilfspaket für Griechenland vom Mai 2010 übernimmt Deutschland überdies Bürgschaften für Kredite der bundeseigenen Förderbank KfW an Griechenland in Höhe von 22,4 Milliarden Euro.
Die Beurteilung, ob diese vorgesehenen Gewährleistungsermächtigungen in Höhe von insgesamt rund 170 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt tragbar seien, liege noch im Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, betonten die Richter. Es könne nicht feststellt werden, dass die Höhe der Gewährleistungen die haushaltswirtschaftliche Belastungsgrenze derart überschreite, dass die Haushaltsautonomie völlig leerliefe. Eine Obergrenze für die künftige Höhe von Bürgschaften setzte das Verfassungsgericht nicht fest.
Gegen die beiden Gesetze klagten der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler und eine Professorengruppe um den emeritierten Nürnberger Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider. Sie scheinen vom Urteil auch nicht wirklich überrascht. Der CSU-Abgeordnete und bekennende Euro-Kritiker Peter Gauweiler nimmt den Spruch mit einem „lachenden und einem weinenden Auge“ auf – die Enttäuschung überwiegt aber wohl doch. Dass die Regierung in dem Urteil gemahnt wird, die Abgeordneten stärker einzubinden, wertet er als Teilerfolg. Die grundlegenden Probleme der Schulden aber hat das Gericht seiner Meinung nach nicht angepackt. Mehr als eine „erste nervöse Grenzziehung“ sei nicht herausgekommen.
Sein Mitstreiter, der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, lässt dagegen seinem Frust freien Lauf. „Das Gericht ist seiner historischen Verantwortung für Europa und den Euro nicht gerecht geworden“, diktiert er in die Mikrofone. Es verkomme zu einem „reinen Befriedungsausschuss für die politische Klasse“ und „arbeitet an seiner eigenen Bedeutungslosigkeit“. Die Richter verschlössen die Augen vor der Gefahr der Euro-Abwertung. „Insofern ist das Urteil eine Ohrfeige für die Bedürftigen in diesem Land.“ Die kommenden Rettungsschirme würden verheerende Auswirkungen haben, prophezeite der Professor.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger begrüßte das Urteil. “Das Königsrecht des Parlaments, über Einnahmen und Ausgaben des Staates zu entscheiden, ist heute gestärkt worden„, sagte die FDP-Politikerin. Es sei richtig, die demokratisch gewählten Vertreter des Bundestags noch enger in die Entscheidungen zur Euro-Rettung einzubinden. Bundestag und Europäisches Parlament dürften dabei auf den verschiedenen Ebenen der EU-Politik nicht gegeneinander ausgespielt werden, forderte sie. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei im übrigen auch ein überzeugendes Signal an die Finanzmärkte.
Leutheusser begrüßt Karlsruher Euro-Urteil
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat das Euro-Urteil des Bundesverfassungsgerichts begrüßt. „Heute ist ein guter Tag für den Parlamentarismus in der europäischen Mehrebenendemokratie“, sagte sie laut Mitteilung am Mittwoch in Berlin. Das „Königsrecht“ des Bundestags, über Einnahmen und Ausgaben des Staates zu entscheiden, sei gestärkt worden. „Es ist richtig, die demokratisch gewählten Volksvertreter künftig noch enger in die Entscheidungen zur Euro-Rettung einzubinden“, sagte sie.
Bundestag und Europäisches Parlament dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, sagte die Ministerin. „Die Zukunft der europäischen Einigung gelingt nur durch die Stärkung des Parlamentarismus insgesamt, sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene.“ Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei auch ein überzeugendes Signal an die Finanzmärkte. Sie bestätige, dass die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in den Euro verfassungsgemäß seien. (abendblatt.de/dapd/mc)