„Die Krise um den Euro ist nur vorübergehend.“ Wen Jiabao lädt noch mehr deutsche Firmen ein, in China zu investieren – mit Milliardenhilfen.
Berlin. Sie lustwandelten durch den Garten der Villa Liebermann am Berliner Wannsee. Und das Vieraugengespräch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao soll auch sehr freundschaftlich verlaufen sein. Dabei soll Merkel bei Wen vertraulich und diplomatisch auch die Lage der Menschenrechte in China angesprochen haben. Kurz vor den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen und Wens Europa-Tournee hatte Peking den Künstler Ai Weiwei aus dem Gefängnis entlassen. Und Wen machte – ganz Staatsmann und wohlwollender Besucher – auch sofort klar, wie er Europas Krise mit dem Euro einschätzt: China halte die Probleme mit den Staatsschulden in Europa für vorübergehend und lösbar.
Ministerpräsident Wen sagte, manche EU-Länder seien derzeit in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. „Diese sind jedoch vorübergehenden Charakters.“ Bei einem Wirtschaftsforum betonte der chinesische Regierungschef, die EU sei stark genug, „der gegenwärtigen Herausforderungen Herr zu werden“. Die chinesische Regierung sei hier voller Zuversicht.
Das sollte sie auch. Denn die Chinesen haben Milliarden in Europa investiert, halten Staatsanleihen und Beteiligungen. Und Bundeskanzlerin Merkel will das gute Verhältnis zu China mit einer starken wirtschaftlichen Zusammenarbeit weiter ausbauen. Zwischen Deutschland und China sei viel Vertrauen gewachsen. „Auf diesem Vertrauen lässt sich aufbauen“, sagte Merkel bei einem deutsch-chinesischen Wirtschaftsforum, an dem auch Ministerpräsident Wen teilnahm. Sie kündigte Milliardenaufträge aus China für die deutsche Wirtschaft an. „Wir werden heute eine Fülle von Vereinbarungen treffen“, sagte Merkel. Das Handelsvolumen solle in fünf Jahren von über 130 Milliarden auf 200 Milliarden Euro gesteigert werden. „Was gut ist, kann noch besser werden“, sagte Merkel.
Wen sagte: „Die heutige gute Entwicklung der chinesisch-europäischen Beziehungen ist ohne Deutschlands Unterstützung und Anstrengungen nicht vorstellbar.“ China sei bereit, mehr deutsche Spitzenprodukte zu importieren. „Umgekehrt wünscht es sich eine zügige Anerkennung als volle Marktwirtschaft durch Deutschland“, erklärte Wen. China sei außerdem offen für mehr Investitionen deutscher Konzerne. Diese sind bereits an über 7000 Unternehmen in China beteiligt. Die chinesische Regierung will auch den Zugang für mittelständische Firmen erleichtern. Wen kündigte dazu ein Kreditprogramm von zwei Milliarden Euro für eine stärkere Zusammenarbeit deutscher und chinesischer Mittelständler an.
Der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sagte, deutsche Unternehmen erwarteten faire Wettbewerbsbedingungen: „Wir brauchen nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch Rechtsstaatlichkeit.“
Derweil hält Außenminister Guido Westerwelle (FDP) eine Verbesserung der Menschenrechtssituation in China für möglich. „Man muss erkennen, dass auch wir nicht über Nacht unser westliches System errungen haben“, sagte er im Deutschlandfunk. Auch in China gebe es langfristig betrachtet trotz einiger herber Rückschläge durchaus Fortschritte, etwa bei der Freiheit der Kunst. „Menschenrechte sind keine innere Angelegenheit“, stellte Westerwelle klar. Deutschland erkenne zwar seine wirtschaftlichen Chancen in China, verliere dabei aber nicht seinen inneren Kompass aus den Augen. (abendblatt.de/dpa/dapd)