Nach drei Monaten läuft das Atom-Moratorium aus. Die Konzerne wollen dennoch ihre Meiler bis zum Inkrafttreten des Atomausstiegsgesetzes ruhen lassen. Sie drohen mit hohen Entschädigungsforderungen. Und die Länder wollen energiewende-bedingte Steuerausfälle nicht schultern.
Berlin. Das Aus für acht Atomkraftwerke ist nach einem Einlenken der Energiekonzerne wohl endgültig. Von den abgeschalteten alten Kernkraftwerken soll nach Auslaufen des Atom-Moratoriums höchstwahrscheinlich keines wieder angefahren werden. Neben Eon und Vattenfall werden wohl auch RWE und EnBW trotz eines rechtlichen Schwebezustands ihre betroffenen Kernkraftwerke vom Netz lassen, wie die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch in Berlin erfuhr.
Rechtlich wäre ein Anfahren der durch das Moratorium für drei Monate stillgelegten Meiler möglich. Denn das Atomgesetz, das das dauerhafte Aus verfügt, wird nicht vor Mitte Juli vorliegen. Mit einem AKW lässt sich abzüglich der Steuer auf Brennelemente pro Tag mehr als eine halbe Million Euro verdienen. Deshalb war in Berlin gerade ein Wiederanfahren des RWE-Meilers Biblis B befürchtet worden, in den RWE jüngst noch einmal viele Millionen Euro investiert hatte.
Der Atomausstieg und die damit verbundene Energiewende könnten für die schwarz-gelbe Bundesregierung teurer werden als bisher geplant: Die Länder fordern, dass der Bund die Kosten für die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung komplett übernimmt. Das geht aus Beschlüssen mehrerer Ausschüsse für die Sitzung des Bundesrates an diesem Freitag hervor. Die Regierung will, dass jährlich zehn Prozent der Aufwendungen für Energieeinsparungen bei Gebäuden von der Steuer absetzbar sind. Fast 60 Prozent der Steuerausfälle von bis zu 1,5 Milliarden jährlich wären aber von Ländern und Gemeinden zu tragen.
Die rot-grünen Landesregierungen fordern zudem mehr als die vom Bund daneben vorgeschlagenen 1,5 Milliarden Euro zur Förderung der Gebäudesanierung. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) präsentierte am Mittwoch in Düsseldorf einen Antrag an den Bundesrat, in dem stattdessen 5 Milliarden Euro pro Jahr gefordert wurden. Der Bund solle zudem auch den Rückbau stillgelegter AKW finanzieren.
Die Atomkonzerne RWE und EnBW wollten sich am Mittwoch offiziell zunächst nicht äußern zum möglichen Wiederanfahren ihrer Meiler. Wenn die Konzerne bis zum Inkrafttreten des neuen Atomgesetzes noch einige Millionen mit Atomstrom verdienen wollten, hätten Bund und Länder keine Handhabe. „Rein rechtlich könnten die Kernkraftwerke wieder angefahren werden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. „Egal ist es nicht“, betonte Seibert. Es lägen aber keine entsprechenden Informationen der Betreiber vor.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das Moratorium nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima am 15. März verkündet. Es endete demnach formal drei Monate später am Mittwoch. Da aber die Weisung der Atomaufsichtsbehörden der Länder zum Herunterfahren teilweise erst am 18. März erging, läuft es für einige Meiler erst Ende der Woche aus. Die sieben ältesten AKW und der ohnehin seit Jahren vom Netz getrennte Meiler Krümmel wurden damit vorübergehend für drei Monate stillgelegt.
Unabhängig vom jetzigen Einlenken könnten alle vier AKW-Betreiber Milliardenentschädigungen fordern. Ihrer Meinung nach bedeuten das endgültige Aus für acht AKW und die schrittweise Abschaltung der neun anderen Meiler bis 2022 eine riesige Kapitalvernichtung; die festen Abschaltdaten könnten Eingriffe in Eigentumsrechte darstellen.
Nach mehreren Revisionen produzieren von den neun verbleibenden Meilern derzeit wieder acht Anlagen Strom, nur das AKW Brokdorf ist für Wartungsarbeiten bis Juli vom Netz.
Betroffen vom sofortigen Aus sind: Neckarwestheim I, Philippsburg I (EnBW/Baden-Württemberg), Biblis A und B (RWE/Hessen), Isar I (Eon/Bayern), Unterweser (Eon/Niedersachsen) und die seit längerem vom Netz getrennten Vattenfall-AKW Brunsbüttel und Krümmel in Schleswig-Holstein. Eon hatte mitgeteilt, dass seine betroffenen Meiler nicht mehr angefahren werden. Vattenfall ist ein Sonderfall, da Krümmel und Brunsbüttel ohnehin nicht anfahrbereit sind.
Begründet wurde das Atom-Moratorium mit Paragraf 19, Absatz 3 des Atomgesetzes. Die Regelung erlaubt bei drohenden konkreten Gefahren eine vorübergehende oder komplette Abschaltung von Atommeilern. Laut Regierung ging es nach Fukushima um eine vorsorgende Maßnahme. RWE hat dagegen geklagt. Den Unternehmen entgehen über 500 Millionen Euro nur durch das Moratorium. Sie betonen, durch das Unglück in Japan vom 11. März habe sich an der Sicherheit deutscher AKW nichts geändert.