De Maizière will über die Reform der Bundeswehr beraten. Die SPD kritisiert, dass die Neuausrichtung der Truppen chaotisch verlaufe.
Berlin. Der „IBuK“, der „Inhaber der Befehls – und Kommandogewalt“, Thomas de Maizière (CDU), geht auf leisen Sohlen auf die historische Reform der Bundeswehr zu. In der nächsten Woche will er nach Informationen der Nachrichtenagentur dapd in Klausur mit einem „Lenkungsausschuss“ über die Eckpunkte der neuen Struktur für die Bundeswehr beraten. Der „Lenkungsausschuss“ unter Staatssekretär Stephane Beemelmans hat die Gesamtstrategie für die Reform erarbeitet und die Einzelheiten für die Ministerentscheidungen vorbreitet. Bisher hat de Maizière alles über die Neuausrichtung der Truppe „eisern“ unter Verschluss gehalten. In der letzten Mai-Woche will er die Öffentlichkeit über die neuen Strukturdaten unterrichten, erfuhr dapd aus Parlamentskreisen in Berlin. Es könnte sein, dass die Bundeswehrstärke von derzeit 250.000 Mann „unter Umständen“ auf unter 185.000 heruntergeht, war von Wehrexperten des Bundestages zu erfahren.
In einem Interview des Deutschlandfunks hatte de Maizière darauf hingewiesen, dass das Bundeskabinett im Dezember vergangenen Jahres beschlossen hatte, auf „bis zu 185.000“ Soldatinnen und Soldaten herunterzugehen. Der Minister hatte betont: „In der Zahl bis zu 185.000 ist alles enthalten“. Er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass die Finanzen eben eine entscheidende Rolle spielen. Gleichzeitig hatte de Maizière unterstrichen, eine Neuausrichtung der Bundeswehr könne weder nur nach dem zur Verfügung stehenden Geld bemessen werden, „noch kann auch umgekehrt nicht alles das, was sich jemand wünscht, einfach bezahlt werden“.
„Am Ende eines beschwerlichen Wegs erfolgreich“
In einem nicht autorisierten „Entwurf Eckwertebeschluss im Kontext Streitkräftereform“ , der vor kurzem durch die Medien die Runde machte, war von einem Streitkräfteumfang von 175.000 Soldaten und Soldatinnen plus 15.000 Freiwilligen die Rede. Es wurde sogar die Zahl 158.000 genannt. Wie dapd erfuhr, sind diese Zahlen „nicht zutreffend“. De Maizière, der nach dem Abitur von 1972 bis 1974 selbst Uniform getragen hat, hatte nachhaltig erklärt, nach all seinen Untersuchungen „werden wir am Ende eines beschwerlichen Wegs erfolgreich sein, davon bin ich überzeugt“. In einem dapd vorliegenden „Anordnung“ des Ministers heißt es:„ Die bisherigen Planungen zu den wesentlichen Handlungsfeldern für die Strukturreform werden in einem Gesamtkonzept unter Berücksichtigung der sicherheitspolitischen – und finanzpolitischen Rahmenbedingungen zusammengeführt“.
Aus Generalskreisen hieß es, Priorität der Umstrukturierung der Bundeswehr müsse auch die „bündnispolitische Ausrichtung“ der Streitkräfte haben. Deutschland dürfe bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr „auf keinen Fall zurückstecken“. Für die Militärs ist es nach wie vor ein Rätsel, wie der Minister „unter dem Fallbeil“, bis 2015 rund 8,3 Milliarden Euro auf dem Sicherheitsgebiet einsparen zu müssen, die Neuausrichtung der Bundeswehr hinbekommen will.
„Materielle Anreize spielen eine große Rolle“
Als ein „Knackpunkt“ der Reform wird nach der Aussetzung der Wehrpflicht am 1. Juli die Gewinnung von einer großen Zahl von Freiwilligen angesehen. Die bisherige Werbekampagne für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr lasse „sehr zu wünschen übrig“, sagten Generäle. Die finanziellen Anreize würden „bei weitem nicht ausreichen“. Die angedachte Bezahlung der Freiwilligen – 1.060 bis höchstens 1.430 Euro netto im Monat – bringe „wohl nichts“. Der Leiter der Personalabteilung, General Wolfgang Born, meinte: „Ich gebe mich keinen Illusionen hin“. Sicher würden bei der Einstellung von Freiwilligen, „materielle Anreize eine große Rolle spielen“.
Nach Darstellung von Wehrexperten wird de Maizière nicht darum herumkommen, aus Spargründen „ganz schön“ bei den Waffensystemen herunterzugehen. Ein „großer Brocken“ werde die „Zügelung“ der Rüstungsindustrie sein. Die Auseinandersetzung mit den Ministerpräsidenten der Länder steht de Maizière bei der Schließung von Standorten im Herbst bevor. „Das wird ein fürchterliches Gerangel geben“, mutmaßte ein General im dapd-Gespräch.
Die SPD will die Bundeswehr von den Sparanstrengungen auszunehmen. Deutschland gerate mit dem Sparzwang für seine Armee in die Gefahr, seinen internationalen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können, schreibt der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, in einem Gastbeitrag für den „Kölner Stadt-Anzeiger“. Außerdem sei die Bundeswehr durch die Umstellung auf eine Berufsarmee in Gefahr, nicht genügend Personal zur haben. Arnold kritisiert zudem, dass die Bundeswehrstrukturreform chaotisch verlaufe.
„Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, die Einsparziele zu schieben, ein Attraktivitätsprogramm für die Bundeswehr zu beschließen, das diesen Namen verdient, und beim Reformtempo maßzuhalten. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, die Einsparziele zu schieben, ein Attraktivitätsprogramm für die Bundeswehr zu beschließen, das diesen Namen verdient, und beim Reformtempo maßzuhalten,“ schreibt Arnold. Sollte die Bundeswehr, wie aus dem Verteidigungsministerium kolportiert, nicht in der Lage sein, mehr als 158.000 Soldaten zu bezahlen, „dann bekämen wir – gemessen an der Bevölkerungszahl – die kleinste Armee Europas. Verpflichtungen gegenüber den Uno, gegenüber Nato und EU könnten wir nicht wie bisher erfüllen,“ stellte Arnold fest.
Eine Expertise der Universität der Bundeswehr in München kommt der Zeitung zufolge zu dem Schluss, dass der Bundeswehr bis 2014 mindestens 4,5 Milliarden Euro fehlen, um die geplante Reform mit 185.000 Soldatinnen und Soldaten realisieren zu können. Der Militärökonom Jürgen Schnell komme zu dem Schluss: „Für eine bedarfsgerechte Umsetzung der Reform fehlen der Bundeswehr bis 2014 mindestens 4,5 Milliarden Euro. Falls an der Mittelfristigen Finanzplanung festgehalten wird, bleibt die Bundeswehr erheblich unterfinanziert.“ Betroffen wären davon die Betriebsausgaben, mehr aber noch die Ausrüstung. Schnell zufolge müssten die verteidigungsinvestiven Ausgaben bis 2014 auf unter 20 Prozent gesenkt werden. Als Zielgröße wurden zuletzt 30 Prozent angesehen. (dapd/AFP)