Wenn es nach Verteidigungsminister de Maizière geht, sollen kommenden Sommer nicht zu viele US-Soldaten aus Afghanistan abgezogen werden
Washington. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hat an die US-Regierung appelliert, im Sommer beim geplanten Beginn ihres Truppenabzugs aus Afghanistan nicht zu viele Soldaten heimzuholen. Er habe US-Verteidigungsminister Robert Gates gebeten, „die psychologischen Wirkungen eines zu ehrgeizig dimensionierten Abzugs der amerikanischen Seite auf die deutsche und europäische Öffentlichkeit zu beachten“, sagte de Maizière nach einem Treffen mit seinem scheidenden Kollegen am Donnerstag in Washington. Er habe den Eindruck, dass Gates dies wohl bewusst sei. Gates soll voraussichtlich zum 1. Juli von CIA-Chef Leon Panetta als Verteidigungsminister abgelöst werden.
US-Präsident Barack Obama hatte schon vor langem angekündigt, dass der Abzug der US-Truppen vom Hindukusch im Sommer beginnen soll. In den USA stehen Ende 2012 Präsidentenwahlen an. Unklar ist bisher, wie viele Soldaten wo abgezogen werden sollen.
Im deutschen Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans unterstützen die USA die Bundeswehr massiv mit Hubschraubern und Soldaten. Ein Verzicht vor allem auf die US-Hubschrauber würde die Bundeswehr schwer treffen. Die USA stellen mit etwa 100.000 Soldaten den Löwenanteil der internationalen Truppen in Afghanistan. Sollten sie größere Verbände abziehen, wird befürchtet, dass dies auch die Entschlossenheit der Verbündeten für den bei den Wählern unpopulären Einsatz bröckeln lässt.
Als Konsequenz auf die zunehmende Zahl von Anschlägen radikal-islamischer Taliban innerhalb westlicher Feldlager strebt de Maiziere eine biometrische Erfassung aller afghanischen Arbeiter in den deutschen Camps an. An der Strategie der gemeinsamen Einsätze mit afghanischen Soldaten und Polizisten, dem sogenannten Partnering, halte er jedoch fest, bekräftigte de Maizière. In den deutschen Feldlagern in Afghanistan arbeiten zahlreiche Einheimische unter anderem als Putzkräfte und Bauarbeiter.
Die Amerikaner erfassen schon seit langem die Fingerabdrücke und scannen die Iris dieser Arbeiter, um sie eindeutig identifizieren zu können. Deutschland hatte sich an dem Programm nach Angaben aus Regierungskreisen bisher wegen Datenschutzbedenken nicht beteiligt. Nun sei ein Abkommen geplant, wonach die USA die von den Deutschen erhobenen Daten nur im Rahmen des Isaf-Einsatzes verwenden werden, hieß es. Die Erfassung der biometrischen Daten in den deutschen Lagern solle dann so schnell wie möglich beginnen.
In den vergangenen Wochen häuften sich Zwischenfälle, bei denen afghanische Soldaten oder Attentäter in Uniform Angehörige der Nato-Truppen angriffen. So wurden im Februar drei deutsche Soldaten in einem Außenposten nahe Kundus getötet, als ein afghanischer Kamerad das Feuer auf sie eröffnete.
De Maizière würdigte Gates’ Nachfolger Panetta. „Leon Panetta ist ein alter Hase im guten Sinne des Wortes“, sagte er. Panetta habe sein ganzes Leben mit Sicherheitsthemen zu tun gehabt und die aktuelle Sicherheitsstrategie sei engstens mit ihm verbunden. „Deswegen erwarte ich hier keinerlei Kurswechsel, sondern freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit diesem ausgewiesenen Fachmann, der im übrigen auch ein harter, aber sehr netter Mensch ist“.