Der Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Husni Mubaraks ist ausgeblieben. Das Volk reagiert mit wütenden Protesten.

Kairo/Algier/Washington. Der ägyptische Präsident Husni Mubarak klammert sich an die Macht. Nach 30-jähriger autoritärer Herrschaft gibt er nur Teile der Amtsgeschäfte an seinen Vizepräsidenten Omar Suleiman ab. Auf dem Tahrir-Platz gab es wütende Reaktionen auf die Fernsehansprache des 82-Jährigen. Ein Mitglied der oppositionellen Muslimbruderschaft sagte: „Die Rede ist frustrierend und missachtet den Willen des Volkes.“ „Der Vizepräsident der Republik hat seine Aufgaben gemäß der Verfassung übernommen“, sagte Mubarak. Er verbat sich jede Einmischung aus dem Ausland. „Ich werde niemals auf Vorschriften aus dem Ausland hören.“ Suleiman sagte zu, eine friedliche Übergabe der Macht zu ermöglichen. „Die Tür für den Dialog ist noch immer offen“, sagte er ebenfalls in einer Fernsehansprache.

Mubarak wandte sich ausdrücklich an die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz. „Ich spreche zu allen von Ihnen aus meinem Herzen wie ein Vater zu seinen Söhnen und Töchtern.“ Angesichts der Toten und Verletzten bei den Protesten sagte er: „Das Blut der Märtyrer und der Verletzten wird nicht umsonst sein. Ich werde nicht zögern, die hart zu bestrafen, die dafür verantwortlich sind.“ Er versprach, den Forderungen der Opposition nachzukommen und lobte den Beginn des politischen Dialogs. Vor der Rede sagte US-Präsident Barack Obama, die Welt sei Zeuge, wie in Ägypten Geschichte geschrieben werde. Die USA fordern ungeachtet der jüngsten Entwicklungen, das Reformtempo zu erhöhen.

Regierungssprecher Robert Gibbs sagte, nötig seien ein klarer Zeitplan mit dem Ziel freier Wahlen und ein Ende des Ausnahmezustandes. Wie schon zuvor in Tunesien hat das Volk im Kampf für mehr Freiheit und soziale Gerechtigkeit enorme politische Kraft entwickelt. Die Tunesier hatten Mitte Januar ihren despotisch regierenden Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali nach 24 Jahren an der Macht vertrieben. Als nächstes könnte Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika von einer Welle des Protestes aus dem Amt gespült werden. Der 73-Jährige ist seit fast zwölf Jahren im Amt. Am Samstag wollen Hunderttausende in der Hauptstadt Algier gegen den Präsidenten protestieren. Ägyptens militärische und politische Führung tagte in Krisensitzungen. Die Armeeführung teilte mit, sie habe „Schritte eingeleitet, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten“.

Außenminister Westerwelle ruft zu Verzicht auf Gewalt auf

Außenminister Guido Westerwelle äußerte sich enttäuscht über die Rede Mubaraks. „Diese Rede hat keine neuen Perspektiven aufgezeigt. Sie war nicht der erhoffte Schritt nach vorn“, sagte Westerwelle in New York. Die Sorgen der Bundesregierung seien „eher größer und nicht kleiner“ geworden. Westerwelle appellierte erneut an Demonstranten und Regierung in Ägypten, auf den Einsatz von Gewalt zu verzichten. „Wir setzen auf einen friedlichen Wandel.“ Die Demonstranten hätten ein Recht darauf, dass ihre berechtigten Anliegen „für Freiheit, für Demokratie, für Zukunft und natürlich auch für den Wandel insgesamt umgesetzt werden“.

Hossam Badrawi, Generalsekretär der ägyptischen Regierungspartei NDP, war einer der ersten, der sich offen über ein politisches Ende Mubaraks äußerte. „Sie haben gewonnen“, sagte Badrawi nach Angaben des Senders CNN zu den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz. Mubarak werde den Forderungen der Jugend nachkommen und Maßnahmen im besten Interesse des Landes ergreifen.

Auch hohe Offiziere reihten sich ein. Als einer von ihnen auf dem Tahrir-Platz sagte, dass „alle Forderungen erfüllt“ würden, brachen Zehntausende in Jubel aus. Kurz zuvor hatten die Mubarak-Gegner zu einem neuen „Marsch der Millionen“ für Freitag aufgerufen. Auch Außenminister Ahmed Abul-Gheit räumte ein, dass Ägypten „in eine neue Ära eintritt“, bat aber um Geduld beim politischen Übergang. „Sollte Chaos ausbrechen, werden die Streitkräfte einschreiten, um das Land unter Kontrolle zu bringen. Dies wäre ein Schritt, der zu einer sehr gefährlichen Situation führen könnte“, sagte Abul-Gheit dem Sender Al-Arabija. Erst am Vortag hatte Suleiman vor einem Staatsstreich gewarnt, sollten die Gespräche zwischen Opposition und Regierung scheitern. Das Militär griff bei den Protesten bisher nicht ein und stellte sich lediglich als Puffer zwischen Mubarak-Gegner und -Unterstützer.

Ein Gericht in Kairo verhängte Ausreiseverbote für drei frühere Minister der Regierung. Auch das Einfrieren der Konten habe das Gericht gebilligt, berichteten ägyptische Medien. Betroffen sind demnach Ex-Tourismusminister Suheir Garana, der früher für Wohnungsbau zuständige Ressortchef Ahmed al-Maghrabi und der Ex-Minister für Handel und Industrie, Raschid Mohammed Raschid. Unter den der Korruption und des Diebstahls beschuldigten Politikern ist auch der Stahlmagnat Ahmed Ezz, ein führendes Mitglied der Regierungspartei NDP. Es gebe fünf weitere Beschuldigte.

Sarkozy: Rücktritt von Mubarak unvermeidlich

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat einen Rücktritt des ägyptischen Staatschefs Husni Mubarak als unumgänglich bezeichnet. Zugleich erklärte er am Donnerstagabend, Ägypten dürfte sich nicht in eine „religiöse Diktatur" verwandeln. Er hoffe, dass der Staat „den Weg der Demokratie findet und nicht den Weg einer anderen Diktatur, einer religiösen Diktatur", sagte Sarkozy im französischen Fernsehen. Der Westen müsse sowohl Ägypten als auch Tunesien helfen, nicht in ein System abzurutschen, das schlechter als das vor den Protesten gegen ihre Regierungen wäre.

(AFP/dpa/dapd)