FDP-Chef Guido Westerwelle: „Es kann doch nicht sein, dass andere Länder bei einem Renteneintrittsalter von 59 oder 60 Jahren bleiben.“
Passau/Brüssel. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) fordert ein höheres Renteneintrittsalter in anderen EU-Staaten. „Es kann doch nicht sein, dass wir Deutsche mit 67 in Rente gehen müssen, andere Länder in Europa aber bei einem Renteneintrittsalter von 59 oder 60 Jahren bleiben wollen“, sagte Westerwelle der „Passauer Neuen Presse“. Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur müssten künftig in ganz Europa Vorrang vor den konsumtiven Ausgaben haben. Westerwelle sagte, zu Europa gehöre neben Solidarität „ein ordnungspolitischer Kompass“. „Eine Schuldenkrise kann man nicht mit immer neuen Schulden bekämpfen, nur mit strukturellen Reformen“. Die Finanzen der EU-Mitgliedstaaten müssten in Ordnung gebracht werden.
Im Ringen um eine Anhebung des Renteneintrittsalters in Europa werden Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Brüsseler Kommission vom EU-Parlament ausgebremst. Der federführende Ausschuss für Beschäftigung und Soziales hat den Vorstoß zu einer einheitlichen Kopplung von Renteneintritt und demografischer Entwicklung vom Tisch gefegt. „Unterschiedliche Systeme, Geburtenraten und Lebenserwartungen machen ein Einheitsdatum unmöglich“, erklärte der CDU-Europaabgeordnete und Vizepräsident des Ausschusses, Thomas Mann.
Die Kommission warnt vor einem Kollaps der Pensionskassen, wenn nicht umgesteuert wird. Wegen einbrechender Geburtenraten und der steigenden Lebenserwartung sei eine Anhebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters bis 2040 auf zunächst 67 Jahre, ab 2060 auf 70 Jahre notwendig, um ein tragbares Verhältnis von Beitragszahlern und Pensionären zu bewahren. So steht es im Grünbuch der Kommission, über das der Ausschuss nun abgestimmt hat.
Eine Anhebung des Renteneintrittsalters gehört auch zu den Elementen im „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ zur Überwindung der Schuldenkrise, den Merkel beim EU-Gipfel am Freitag vorstellt. Sie will damit vor allem bei schwächelnden Euro-Staaten Nachbesserungen erzwingen. In Deutschland ist die Rente mit 67 beschlossen. Sie wird 2012 schrittweise eingeführt.
Die Stellungnahme des Sozialausschusses ist zwar nicht bindend, gilt aber als richtungweisend für die Abstimmung im Plenum Mitte Februar. „Damit ist eine automatische Koppelung von Lebenserwartung und Renteneintritt vom Tisch“, erklärte die SPD-Europaparlamentariern Jutta Steinbrück. „Wir müssen die verschiedenen 27 Rentensysteme in ganz Europa anerkennen. Die historisch gewachsenen Unterschiede muss auch die Kommission respektieren.“
Ein Gesetz zur Rentenpolitik kann Brüssel ohnehin nicht erlassen, das bleibt in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Doch mit der Ablehnung der Kommissionsvorschläge nimmt das Parlament den Streitern für längere Lebensarbeitszeiten den Wind aus den Segeln. Kritik dagegen kommt von den Liberalen. „Staatliche Rentenausgaben wirken sich direkt auf die Haushalte der Mitgliedstaaten aus, und damit auf die Defizite und die Verschuldung“, sagte FDP-Sozialexpertin Nadja Hirsch. Für einen stabilen Euro sollten sich die Regierungen deswegen auf ein Mindestrenteneintrittsalter einigen.
In Spanien wurde ein „Sozialpakt“ mit Gewerkschaften und Unternehmern geschlossen. Das Übereinkommen umfasst unter anderem eine Rentenreform und Vorhaben zur Belebung der Wirtschaft. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero würdigte den Pakt als einen wichtigen Schritt zur Überwindung der Wirtschaftskrise. Der Pakt sieht unter anderem eine schrittweise Heraufsetzung des gesetzlichen Rentenalters von 65 auf 67 Jahre vor.