Oppositionspolitiker El-Baradei will Mubarak vor Gericht stellen. Bundesregierung verschärft Reisehinweise für Ägypten.
Kairo/Berlin. Die Straßen zum Palast des Präsidenten Husni Mubarak wurden gesperrt, der öffentliche Nahverkehr ruht. Und es strömen immer mehr Menschen ins Zentrum von Kairo – der Marsch der Millionen beginnt. Und Oppositionspolitiker Mohamed el-Baradei würde Mubarak am liebsten vor Gericht stellen. Am achten Tag der Proteste gegen Mubarak haben sich auf dem Tahrir-Platz in Kairo und den angrenzenden Straßen am Dienstagvormittag mehr als 100.000 Demonstranten versammelt. In Sprechchören und auf Transparenten verlangten sie den Rücktritt Mubaraks. An den Eingängen zu dem Platz kontrollierten Zivilisten die Ausweispapiere und durchsuchten die Teilnehmer. Soldaten beobachteten die Szenerie, griffen aber nicht ein. Auffällig war, dass unter den Demonstranten deutlich mehr Vertreter der Muslimbruderschaft als zuletzt zu sehen waren.
Die Bundesregierung hat angesichts der Entwicklung in Ägypten am Dienstag ihren Reisehinweis für das Land verschärft. „Das Auswärtige Amt rät von Reisen nach ganz Ägypten dringend ab“, sagte Außenminister Guido Westerwelle in Berlin. „Das schließt ausdrücklich die Touristengebiete am Roten Meer ein.“ Das gelte, auch wenn dort die Lage derzeit ruhig sei.
„Präsident Mubarak muss den Willen des ägyptischen Volkes respektieren und sich zurückziehen, um ein Blutbad zu verhindern“, hieß es in einer Erklärung von 50 Menschenrechtsorganisationen. Zu den Unterzeichnern gehören die wichtigsten Menschenrechtsgruppen des Landes, darunter das Zentrum für Menschenrechtsstudien in Kairo, der Verband für wirtschaftliche und soziale Rechte sowie das arabische Zentrum für die Unabhängigkeit der Justiz.
Neben dem Rückzug von Mubarak forderten sie eine neue Verfassung sowie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen innerhalb der nächsten sechs Monate. Oppositionspolitiker Mohamed el-Baradei rief Mubarak auf, sich nach 30 Jahren an der Macht zurückzuziehen. Die Menschen auf den Straßen des Landes forderten nicht mehr nur seinen Rücktritt, sondern dass er vor Gericht zur Verantwortung gezogen werde, sagte der Friedensnobelpreisträger der britischen Zeitung „Independent“. „Wenn er seine Haut retten will, zieht er sich lieber zurück.“
Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte in der ARD, dass der Demokratisierungsprozess eine innerägyptische Angelegenheit sei. Die Bundesregierung ergreife Partei für Bürgerrechte, für Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, sagte er. Wie der demokratische Prozess ablaufe, sei aber Sache Ägyptens. Deutschland könne praktische Hilfe anbieten, zum Beispiel beim Aufbau einer unabhängigen Justiz.
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) will trotz der Unruhen weiter Entwicklungshilfe an Ägypten zahlen. Derzeit sei es viel zu früh, um über mögliche Konsequenzen für die Zusammenarbeit zu sprechen, sagte Niebel dem Hamburger Abendblatt. Niebel schließt jedoch nicht aus, dass es zu Sanktionen seines Ministeriums kommen könnte. „Die Einhaltung der Menschenrechte und gute Regierungsführung sind wesentliche Kriterien für die Ausgestaltung unserer Kooperation.“ In Ägypten wird nach Angaben Niebels ausschließlich projektbezogen gearbeitet. Deutsche Experten hätten daher jederzeit die Kontrolle über den Einsatz der Finanzmittel. Engagiert sei die Bundesrepublik unter anderem in Projekten der Stadtteilentwicklung und der Förderung von Frauenrechten. (abendblatt.de/dapd/dpa/AFP)