Die Plünderung des Ägyptischen Museum in Kairo könnte katastrophale Folgen haben. Das gesamte Ausmaß der Schäden ist noch unklar.
Hamburg/Kairo. Normalerweise wäre das Ägyptische Museum in Kairo Ende Januar Tag für Tag hoffnungslos überfüllt. Touristenbusse würden im Minutentakt Gruppen von Besuchern vor dem neoklassizistischen Gebäude mit der rosa Fassade ausspeien, wo sie in langen Schlangen warten müssten, bis sie die Sicherheitsschleuse am Hauptportal passiert haben. Doch das Bild hat sich radikal verändert: Weit und breit sind keine Menschen zu sehen, und statt der Busse stehen jetzt Panzer vor dem Gebäude am zentralen Al-Tahrir-Platz. Anstelle der sonst unvermeidlichen Souvenirverkäufer patrouillieren Soldaten, denn das weltberühmte Gebäude ist Plünderern zum Opfer gefallen.
Schon am Sonnabend haben arabische Fernsehsender erstmalig Bilder gesendet, die den Atem stocken lassen: Altägyptische Götterfiguren sind umgestürzt und teilweise zerbrochen, Vitrinen eingeschlagen und ausgeräumt. Über das ganze Ausmaß der Schäden kann man zurzeit nur mutmaßen, ebenso über den genauen Ablauf der Angriffe, die sich offenbar auf das erste Stockwerk konzentrierten, in dem auch die Schätze des Tutanchamun präsentiert werden. Wahrscheinlich gab es zwei unterschiedliche Gruppen von Plünderern. Einige Einbrecher verfügten wohl nur über geringe Ortskenntnisse, kletterten über eine Feuerleiter zum Dach hinauf, wo sie durch eingeschlagene Fenster in das Gebäude gelangten. Wahrscheinlich haben sie wahllos in den Ausstellungsräumen randaliert und sich dann dem neuen Museumsshop zugewandt, wo sie außer T-Shirts und Kühlschrankmagneten bestenfalls Repliken erbeuten konnten.
Planvoller ging eine zweite Gruppe vor, bei der es sich nach Auffassung der langjährigen Museumsdirektorin Wafaa al-Saddik um das völlig unterbezahlte Wachpersonal des Museums handelt. Ein Wachmann verdient etwa 250 ägyptische Pfund (35 Euro) im Monat. Allein der Eintritt in den Mumiensaal kostet 100 Pfund. Dem Berliner "Tagesspiegel" sagte al-Saddik: "Es sind sehr viele Figuren auf den Boden geworfen und zerstört worden, darunter auch Götterfiguren aus dem Schatz des Tutanchamun."
Aussagen dieser Art, die oft unter dem unmittelbaren Schock des Geschehens gemacht werden, müssen vorsichtig bewertet werden. Sollten sich die Informationen hinsichtlich der Tutanchamun-Schätze jedoch erhärten, wäre das eine fast beispiellose Kulturkatastrophe. Bei den 1922 entdeckten Grabfunden des legendären Pharaos handelt es sich um die weltweit berühmtesten altägyptischen Schätze.
Einige Diebe versuchten auch, zwei Mumien zu stehlen. Da die Täter überrascht wurden, konnten die Mumien sichergestellt werden. Zahi Hawass, der Chef der Ägyptischen Altertumsverwaltung, erklärte, sie seien schwer beschädigt zurück ins Museum gebracht worden. Als die Menschen auf dem Tahrir-Platz bemerkten, was sich innerhalb des Museums abspielte, umstellten sie das Gebäude und versuchten, die Plünderer dingfest zu machen. Wenig später erschien das Militär, das das Museum seither sichert.
Aus anderen ägyptischen Museen gibt es widersprüchliche Meldungen: Während es in Luxor und Assuan offenbar zu keinen Plünderungen kam, soll das Museum in Memphis am Sonnabend ausgeraubt worden sein. Auch deutsche Archäologen sind von der angespannten Sicherheitslage betroffen. Wie das Deutsche Archäologische Institut (DAI) gestern in Berlin mitteilte, wurden die Grabungen in Luxor und Assuan vorübergehend eingestellt.