Bekenntnisse einer eingefleischten Bio-Truppe: Renate Künast und Jürgen Trittin geben sich in einem Interview außergewöhnlich offen.
Hamburg. Man weiß viel über die Topleute der Grünen wie Cem Özdemir, Claudia Roth, Renate Künast und Jürgen Trittin. Der eine ging in Elternzeit, die andere hat mal eine Band gemanagt, die nächste hat ein Mundwerk so groß wie ein geöffnetes Krokodilsmaul und einer hatte bereits einen Herzinfarkt. Doch wer aus dem grünen Top-Quartett kauft bei Aldi ein? Bei dem Discounter, der so diskret wie erfolgreich seine Läden führt, ohne Schnörkel und in Konkurrenz zu Rewe (Berater: Joschka Fischer) , Edeka und allen anderen Anbietern von Lebensmitteln und Produkten des täglichen Lebens.
Dem „Stern“ verrieten Renate Künast und Jürgen Trittin nun privaten Gewohnheiten. Und ausgerechnet Trittin, der als ehemaliger Bundesumweltminister und bekennender Fahrradfahrer die Fahne des Ökologischen auch in edlem Zwirn hochhält, sagt ja zum Imperium der Albrechts. „Ich bin generell dagegen, den Leuten ein schlechtes Gewissen zu machen. Die Gestaltung einer klimafreundlichen Gesellschaft ist doch keine religiöse Frage“, sagte Trittin. Und: „Ich war im Sommer bei Aldi – mit dem Fahrrad. Es gab eine Aktion mit recht guten Weinen. Und meinen PC habe ich auch daher.“
Wer hätte das gedacht? Der Aldi-PC in der Abgeordnetenklause des Top-Grünen. Doch mit dem Einzug der Bioprodukte in die Discounterläden und der fortschreitenden Mobilität in der Gesellschaft sagte auch die frühere Verbraucherschutzministerin Künast: „Ich kaufe privat zwar fast ausschließlich Bioprodukte, aber ich fliege mit dem Flugzeug, ich fahre mit dem Auto. Soll ich deshalb in Sack und Asche gehen?“
Die Bekenntnisse reihen sich an die Aussagen, die das gestiegene Selbstbewusstsein der Grünen im Umfragehoch widerspiegeln: „Die Schlachtordnung lautet Grün gegen Schwarz“, sagte Bundestags-Fraktionschef Trittin. „Die CDU ist größer als wir, das ist richtig. So was nennt man in der Wissenschaft einen asymmetrischen Konflikt. Die Erfahrung zeigt: Den gewinnt fast immer der Kleinere.“ Mit der Verlängerung der Atomlaufzeiten habe Bundeskanzlerin Angela Merkel „den Grünen eine Kampfansage gemacht.“ Künast, die Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit ablösen möchte, sagte: „Aber wir müssen auch bereit sein, gesellschaftliche Kompromisse zu schließen – und zwar mit allen Teilen der Gesellschaft. Wir sind dann nicht mehr Mitspieler, sondern Spielführer – eine qualitativ ganz andere Rolle.“