Medieninformationen zufolge soll Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad bemüht sein, möglichst schnell eine Atombombe zu bauen.
Istanbul/Berlin. Sind die derzeitigen Sanktionen gegen den Iran nutzlos, weil dieser die Sanktionen mit Hilfe von China einfach umgeht, um das Atomprogramm voranzutreiben? So heißt es zumindest in einem Zeitungsbericht der "Welt am Sonntag". Demnach soll die iranische Regierung insbesondere mit der Unterstüzung Chinas systematisch die bestehenden Sanktionen umgehen. Das Blatt beruft sich dabei auf geheime US-Depeschen. Den Informationen nach soll das US-Außenministerium in zahlreichen Berichten beklagen, dass chinesische Beamte mit Informationen über die Weiterverbreitung von Raketentechnik versorgt worden seien, es aber nur wenige oder überhaupt keine Rückmeldungen von Peking über den Stand der Ermittlungen oder mögliche Schritte gegeben habe.
Dem Bericht zufolge geht aus den US-Dokumenten hervor, dass der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad bemüht sei, möglichst schnell eine Atombombe zu bauen – bevor sein Land wirtschaftlich zusammenbreche. Es gebe ein Rennen zwischen der Bombe und dem finanziellen Kollaps, heißt es laut "WamS“ in den Depeschen.
Die Unterlagen zeigten außerdem, dass die Bundesregierung in der Diskussion über die Iran-Sanktionen offenbar Verbündete verärgere. Der Iran-Beauftragte des britischen Außenministeriums habe demnach gesagt, Berlin sei bei Sanktionen zwar theoretisch "an Bord“, aber "nicht in der Praxis“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und das Auswärtige Amt wüssten um die richtige Vorgehensweise, "aber die deutsche Wirtschaftsgemeinschaft ist sehr einflussreich“. Die Depeschen zeigen laut "WamS“ aber, dass Berlin unter der schwarz-gelben Koalition nun doch stärker auf EU-Sanktionen dringe - zeitgleich mit UN-Sanktionen.
Unterdessen sind die internationalen Verhandlungen mit dem Iran über sein umstrittenes Atomprogramm erneut gescheitert. EU-Außenministerin Catherine Ashton zeigte sich am Sonnabend "enttäuscht“ vom Ausgang der Gespräche in Istanbul, deren Fortsetzung unsicher ist. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte am Sonntag, der Iran habe keine Bereitschaft zu "substantiellen, vertrauensbildenden Schritten“ gezeigt.
Der Iran habe sich nicht auf "detaillierte und konstruktive“ Gespräche eingelassen, sagte Delegationsleiterin Ashton. Vertreter der fünf UN-Vetomächte USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich sowie Deutschlands (5+1-Gruppe) hatten Teheran bei den zweitägigen Gesprächen in Istanbul nicht zum Einlenken bewegen können. Irans Chefunterhändler Said Dschalili forderte, die internationale Gemeinschaft müsse das Recht des Iran zur Urananreicherung anerkennen. Erst dann sei Teheran zu Verhandlungen bereit.
Der britische Außenminister William Hague erklärte am Sonnabend in London, das Beharren des Iran "auf Vorbedingungen, die eindeutig unrealistisch sind, ist äußerst enttäuschend“. Die französische Außenministerin Michèle Alliot-Marie bezeichnete die von Teheran gestellten Bedingungen als "total unannehmbar“ Dabei sei es um eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran und die Anerkennung seines Rechts auf Urananreicherung gegangen. Wie Westerwelle betonten aber alle Seiten einschließlich der USA, die Bereitschaft zu Gesprächen bleibe bestehen.
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad sagte, trotz dieses Misserfolgs seien "die Bedingungen gegeben, um bei künftigen Treffen eine gute Einigung zu erzielen, sollte die andere Seite Gerechtigkeit und Respekt beweisen“. Angesichts der "Geisteshaltung“ der 5+1-Gruppe habe der Iran niemals mit einer Lösung des Konflikts in wenigen Sitzungen gerechnet.
Im Zentrum des Atomstreits steht die Urananreicherung, denn angereichertes Uran kann für zivile Zwecke, aber auch zum Bau von Atombomben genutzt werden. Teheran hatte Ende 2009 einen Vorschlag abgelehnt, wonach es einen Großteil seines Vorrats an schwach angereichertem Uran in Russland deponieren sollte, um im Gegenzug von Russland und Frankreich Brennstäbe für einen iranischen Forschungsreaktor zu erhalten. Anschließend waren die Atomgespräche auf Eis gelegt worden. Erst im Dezember hatten die 5+1-Gruppe und der Iran die Verhandlungen nach mehr als einem Jahr Pause in Genf wieder aufgenommen.
Ahmadinedschad nominierte nach dem Scheitern der Istanbuler Gespräche den bisherigen Chef des iranischen Atomprogramms, Ali Akbar Salehi, offiziell als neuen iranischen Außenminister. Salehi hatte das Amt im Dezember von seinem geschassten Vorgänger Manuschehr Mottaki zunächst vorläufig übernommen, der zuletzt möglicherweise für den Geschmack des Präsidenten eine zu kompromissbereite Linie in der Atomfrage verfolgte.
(afp/abendblatt.de)