Käßmann hat ein Jahr nach ihrer Alkoholfahrt und dem Rücktritt als EKD-Ratsvorsitzende eine Gastprofessur in Bochum angetreten.
Bochum. Im strahlend roten Kleid steht Margot Käßmann in der Mitte des voll besetzten Audimax der Bochumer Ruhr-Universität. 2000 Menschen schauen auf sie, lachen und klatschen immer wieder während ihrer rund einstündigen Antrittsvorlesung. Ein warmer Empfang für die neue Gastprofessorin – wie er in Deutschland vor allem für Migranten nicht selbstverständlich sei, sagt Käßmann.
„Uns fehlt eine Begegnungskultur“, kritisiert sie. Die Gastfreundschaft der Deutschen sei „recht mager“ ausgeprägt, gute Gastfreundschaft aber eine Voraussetzung für gelungene Integration. Die ehemalige Bischöfin hat die Integration zum Thema ihrer Antrittsvorlesung gemacht – obwohl sie wisse, dass, wer zu diesem Thema rede, mit Kritik rechnen müsse. „Die kommt garantiert.“ Aber Käßmann ist Kritik gewohnt.
Sie hat sich rargemacht in der Öffentlichkeit im vergangenen Jahr, das für sie das Jahr eins nach ihrer Alkoholfahrt und dem anschließenden Rücktritt als Ratspräsidentin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) war. Die vergangenen Monate hat sie an der Emory-Universität im amerikanischen Bundesstaat Georgia verbracht - hat geforscht und Deutschland aus der Ferne betrachtet. Jetzt ist sie wieder da – und ihr leuchtend rotes Kleid lässt daran keinen Zweifel.
Aus der Ferne gesehen sei beim Thema Integration alles nicht so schlimm wie die Deutschen es immer machten, sagt Käßmann. Trotz oftmals magerer Gastfreundschaft habe Deutschland bereits „ungeheuere Integrationsleistungen“ vollbracht. Aber: „Statt Gelungenes zu sehen, starren wir stattdessen auf Probleme.“
„Genau richtig“, sagt Isolde Schön. Die 73-Jährige ist mit drei Freundinnen aus Gelsenkirchen in das Audimax gekommen, um Käßmann zu hören. „Wir mögen sie sehr. Und was sie zur Integration gesagt hat, hat mir sehr gut gefallen.“ Auch die Jüngeren sind begeistert. „Ich fand den Vortrag wunderbar. Frau Käßmann hat eine ungeheure Präsenz und hat mir tolle Denkanstöße gegeben“, sagt die 25-jährige Inga Schwarze, die in Bochum für Gender Studies (Geschlechterforschung) eingeschrieben ist. „Hoffentlich kann ich bald ein Seminar bei ihr machen.“
Auch Käßmann freut sich darauf, an der Universität „in kleineren Gruppierungen miteinander ins Gespräch zu kommen“. Das ganze Jahr wird sie in Bochum bleiben – zunächst einzelne Vorträge in Seminaren halten und spätestens im Sommersemester auch eigene Vorlesungen und Seminare anbieten. Sozialethische Themen wie Sterbehilfe, Hartz IV oder Präimplantationsdiagnostik sollten dabei im Vordergrund stehen, hatte sie bereits am Dienstag vor Journalisten gesagt. Bochum kennt Käßmann gut: Zwischen 1986 und 1989 hat sie an der Ruhr-Universität promoviert. „Das ist zwar schon etwas länger her und keiner von denen, die mir das Rigorosum abgenommen haben, ist noch da. Aber die Cafeteria werde ich noch finden.“ Jede Woche will sie mehrere Tage an ihrem neuen Arbeitsplatz verbringen, obwohl sie ihren Wohnsitz inzwischen in Berlin hat. Mit der Bahn sei das aber einfach.
Und was kommt nach Bochum? „Was nach dem Jahr wird, weiß ich noch nicht. Aber ich wusste vor einem Jahr auch nicht, dass ich heute in Bochum sein würde, also bin ich ganz gelassen.“ (dpa)