„Moskaus Mata Hari“ winkt ein Abgeordnetenmandat. Wladimir Putin fördert die enttarnte Agentin Anna Chapman. Sie steht auf James Bond.
Moskau. Staatsamt statt Spitzeldienst: Wladimir Putin machte es vor, und Russlands neuer Glamour-Star Anna Chapman könnte bald folgen. Vom KGB-Agenten in der DDR arbeitete sich Putin bis in Russlands höchste Ämter vor. Der Regierungschef kehrt möglicherweise schon 2012 als Präsident in den Kreml zurück. Moskaus wohl bekannteste Ex-Spionin Chapman wiederum wurde im Juli 2010 kurz nach ihrer Enttarnung in den USA spektakulär ausgetauscht. Seitdem bastelt die 28-Jährige an einer politischen Karriere – gefördert von Putin.
Die attraktive Frau („Agentin 90-60-90“) rückte erst vor wenigen Tagen in die Führung einer regierungsnahen Jugendorganisation auf. Schon wird in Moskau spekuliert, dass der „rote Stern aus Wolgograd“ im Herbst auf dem Ticket der Putin-Partei Geeintes Russland für die Staatsduma kandidiert. Indizien dafür gibt es. Gleich in mehreren Silvestershows des Staatsfernsehens trat Anna Chapman auf und plauderte über Gott und die Welt. Die Mehrzahl der Russen dürfte von der jungen Dame entzückt gewesen sein.
Fernsehbilder gescheiterter Kreml-Agenten kannten wohl viele bisher nur aus westlichen Krimis. Bereits kurz nach der Enttarnung des zehnköpfigen Agentenrings um Chapman stand Putin auffällig Pate. Der 58-Jährige traf sich gleich nach ihrer Rückkehr mit den Spionen und versprach, dass der Staat sie nicht fallen lasse. Und obwohl die Truppe des Auslandgeheimdienstes SWR in Übersee wenig erfolgreich gewesen sein soll, verlieh ihr Kremlchef Dmitri Medwedew einen Orden. Chapman bedankte sich mit linientreuen Worten.
Als später der „Playboy“ wegen Nacktfotos anfragte, erteilte sie dem US-Magazin – ganz Patriotin – eine Absage. Zum Covergirl wurde die Ex-Undercoveragentin erst beim russischen Männermagazin „Maxim“. Für Interviews soll Moskaus neue Pop-Ikone 20.000 Euro verlangen. Die frühere Spionin hätte als Duma-Abgeordnete berühmt-berüchtigte Gesellschaft. Im Parlament sitzt der ehemalige KGB-Mitarbeiter Andrej Lugowoi, der in einem internationalen Mord-Skandal von 2006 für die britische Justiz als Hauptverdächtiger gilt. Damals war Ex-KGB-Agent Alexander Litwinenko in London mit dem Strahlengift Polonium 210 heimtückisch getötet worden. Lugowoi bestreitet eine Beteiligung.
In London begann auch der schier unaufhaltsame Aufstieg der in Wolgograd, dem früheren Stalingrad, geborenen Anna Wassiljewna Kuschtschenko. Als Wirtschaftsstudentin in England heiratete sie 2001 den Psychologen Alex Chapman. Nach der Scheidung 2006 zog Anna nach New York und arbeitete als Maklerin – offiziell. Nach der Enttarnung stürzte sich die Boulevardpresse gierig auf Details über „Moskaus Mata Hari“, die perfekt dem im Westen verbreiteten Klischee einer männermordenden Kreml-Agentin entspricht. Warum in aller Welt die USA eine solche Frau ausgetauscht hätten, fragte auch US-Talk-Legende Jay Leno in seiner Show. Vize-Präsident Joe Biden antwortete stöhnend: „Glaub mir, Jay – meine Idee war das nicht.“
Eine Abgeordnetenkarriere für Chapman wäre logisch, schrieb das russische Internetportal „gzt.ru“ und titelte: „Warmes Plätzchen statt Kalter Krieg.“ Der Geheimdienst könnte mit einer hübschen Ex-Spionin im Parlament sein ramponiertes Image polieren, und zudem wäre es ein Signal, „dass sich Vaterlandsliebe lohnt“.
Anna Chapman äußerte sich in den Silvestershows nicht dazu. Für sie sei das Scheitern ihrer Agentenmission „ein Auftakt für neue Gelegenheiten“. Ihr gefalle übrigens Sean Connery, verriet sie. Der Schotte sei ja als James Bond zum Beispiel in „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) quasi ein „Kollege“ gewesen. (dpa)