Während die Truppen der USA die Kriege in Afghanistan und im Irak nach der offiziellen Politik beenden sollen, führen die amerikanischen Geheimdienste einen blutigen Krieg im Schatten. Thomas Frankenfeld über die Mittel und Methoden, mit denen die CIA weltweit Terroristen jagt.
Südsomalia, 14. September 2009: Zwei Wagen fahren auf der Strecke zwischen den Hafenstädten Merka und Kismayo. Im vorderen Fahrzeug sitzt Salah Ali Salah Nabhan zusammen mit fünf Leibwächtern. Im zweiten Wagen folgen weitere drei Bewaffnete. Nabhan ist ein führender Kopf von al-Qaida als auch der al-Qaida-nahen Gruppe Shabaab im gescheiterten Staat Somalia - und gilt als ein Drahtzieher der verheerenden Bombenanschläge von 1998 auf die US-Botschaften in Nairobi mit 212 Toten und 4000 Verletzten sowie in Daressalam mit 14 Toten und 85 Verletzten.
Wie aus dem Nichts erscheinen plötzlich sechs Helikopter über dem kleinen Konvoi auf der staubigen Straße. Zwei von ihnen sind AH-6-Angriffshubschrauber, winzige Kampfmaschinen aus dem Arsenal der amerikanischen Spezialeinheiten, kaum größer als ein Kleinwagen. Von den Waffenpylonen an den Seiten lösen sich Raketen und schlagen fauchend in die Fahrzeuge. Gleichzeitig landen Blackhawk-Transporthubschrauber und setzen Kommandosoldaten der US-Elitetruppe Navy Seals ab. Sie bergen die Toten, darunter die Leichen von Nabhan und Sheik Hussein Ali Ali Fidow, einem anderen Shabaab-Führer. Zwei Kämpfer können verwundet gefangen genommen werden. Binnen Sekunden ist die Aktion vorbei, nur noch die rauchenden Autowracks bleiben zurück. Die Operation "Celestial Balance" (Himmlisches Gleichgewicht) kann als beispielhaft für den weltweiten Schattenkrieg der amerikanischen Geheimdienste gegen Terrorführer gelten.
US-Medien, die den Ablauf dieser Operation rekonstruierten, berichteten unter Berufung auf Regierungsbeamte, dass in den vergangenen Jahren mindestens vier derartige Angriffe in Pakistan, Madagaskar und Syrien stattgefunden hätten. Viele weitere dürften immer noch strengster Geheimhaltung unterliegen.
Berichtet wird aber von einer früheren Operation aus den 90er-Jahren in Somalia, bei der ein Terror-Finanzier in James-Bond-Manier gekidnappt wurde. Wie ein Falke senkte sich dabei ein AH-6-Helikopter plötzlich über dem fahrenden Wagen vom Himmel; ein Scharfschütze feuerte drei Schüsse in den Motorblock. Danach seilten sich Kommandosoldaten aus einem Blackhawk ab, fesselten den Verdächtigen und nahmen ihn mit. Der genaue Standort des Mannes war den US-Eliteeinheiten und dem Geheimdienst CIA stets genau bekannt: Über einen verbündeten somalischen Kriegsherrn hatte die CIA ihm einen mit Sender präparierten kostbaren Gehstock zukommen lassen.
Die CIA, die "Central Intelligence Agency", steht im Zentrum des Schattenkriegs gegen den Terror. Längst ist nicht mehr nur klassische Spionage das Feld des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes mit Sitz in Langley im US-Bundesstaat Virginia, unweit der US-Hauptstadt Washington. Die 1947 gegründete CIA ist auch eine militärische Kraft geworden, die im Kampf gegen Al-Qaida- und Taliban-Führer auf eigene Truppen zurückgreifen oder sich dazu die Besten aus den regulären Streitkräften aussuchen kann.
Gelegentlich - wie offenbar im Fall des abgeblasenen Mordauftrages zu Lasten des in Hamburg lebenden Deutschsyrers Mamun Darkazanli - bedient sich die CIA auch privater Söldnertruppen. Die sich wiederum meist aus ehemaligen Elitekämpfern der US-Streitkräfte zusammensetzen.
Die CIA ist Teil der riesigen Intelligence Community (IC), in der 15 verschiedene US-Geheim- und Sicherheitsdienste zusammengefasst sind. Darunter sind die jeweiligen Geheimdienste der Teilstreitkräfte, aber auch die Bundespolizei FBI und die berühmt-berüchtigte NSA, die mit Satelliten und gigantischen computervernetzten Abhöranlagen die weltweite Kommunikation erfasst und auswertet. Der CIA-Direktor ist führender Kopf der IC.
Die CIA, deren milliardenschwerer Etat nicht veröffentlicht zu werden braucht, darf auf Weisung des US-Präsidenten verdeckte Operationen im Ausland betreiben. Jahrzehntelang hatte die Tötung von politischen Gegnern der USA durchaus zum Instrumentarium der CIA gezählt.
US-Präsident Gerald Ford verbot dies schließlich - doch sein Erlass wurde von George W. Bush 2001 aufgehoben. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte Bush jenes umstrittene CIA-Programm zur weltweiten Eliminierung von Al-Qaida-Führern und Unterstützern genehmigt, dem auch Darkazanli fast zum Opfer gefallen wäre.
Initiator war der ebenso mächtige wie umstrittene US-Vizepräsident Dick Cheney, der auch gleich dafür sorgte, dass die zuständigen Parlamentsausschüsse des US-Kongresses acht Jahre lang nichts davon erfuhren.
Das "Hit-Team" der Söldnerfirma Blackwater, das im Auftrag der CIA den Deutschsyrer töten sollte, hielt sich nach US-Berichten 2004 wochenlang in Hamburg auf. Doch im selben Jahr stoppte der CIA-Chef George Tenet das Killer-Programm - das aber unter seinem Nachfolger Porter Goss nur ein Jahr später wieder aufgenommen wurde. Als der gegenwärtige CIA-Chef Leon Panetta am 23. Juni 2009 von diesem Programm erfuhr, informierte er nur einen Tag später die Geheimdienstausschüsse des US-Kongresses. Seitdem ist das Programm offiziell außer Kraft.
Doch weiterhin sind Al-Qaida- und Taliban-Führer in den Krisen- und Kriegszonen Afghanistan, Pakistan unddem Jemen im Visier der CIA. Nach dem offiziellen Stopp des Killer-Programms werden Führungsfiguren des internationalen Terrors offenbar nicht mehr durch "Hit-Teams", sondern durch den Einsatz von Kampfdrohnen der Typen MQ-1 "Predator" und des stärkeren Nachfolgemodells MQ-9 "Reaper" ausgeschaltet. Doch im Höllenfeuer von deren "Hellfire"-Raketen kommen oft auch unbeteiligte Zivilisten ums Leben. Weshalb ein US-Regierungsbeamter mit intimer Kenntnis des Killer-Programms dem "Wall Street Journal" sagte: "Was für einen Kollateralschaden wollen Sie denn - den aus 50 Zentimetern Entfernung oder den aus 15 000 Metern?" Der einflussreiche republikanische US-Senator Kit Bond - ein Name wie aus einem Spionagethriller - Mitglied des Geheimdienstausschusses, forderte bereits die Wiederbelebung des Killer-Programms.
Für derart "nasse", also blutige Arbeit steht der "Central Intelligence Agency" eine eigene Abteilung zur Verfügung: Die "Special Activities Division" (SAD). Sie wurde geschaffen für heikle und streng geheime Unternehmen, für die Regierung und reguläre Streitkräfte nur sehr ungern die Verantwortung übernehmen würden. Innerhalb der SAD gibt es neben der "Political Action Group" für politische Beeinflussung den "Special Activities Staff" mit den hochtrainierten paramilitärische Einheiten der "Special Operation Group". Sie operieren in kleinen Gruppen, die ein halbes Dutzend oder maximal ein Dutzend Kämpfer umfassen. Rekrutiert werden sie aus den besten Eliteeinheiten der USA - also aus der geheimnisumwitterten "Delta Force", den SEALs oder deren Antiterroreinheit DEVGRU, den Green Berets oder den Spezialeinheiten der Marines. Das Training findet auf der "Farm" statt, wie das 37,5 Quadratkilometer große Ausbildungsgelände der CIA in Camp Peary in Virginia genannt wird. Es umfasst unter anderem das Training in Infiltration, Fallschirmabsprung, Antiterrorkampf, Sabotage und Fernaufklärung. Trainiert wird mit Schusswaffen aller Art, mit Messern und anderen Waffen sowie waffenloses Töten.
Die CIA verfügt über eine Flotte eigener Flugzeuge verschiedener Typen. Mit ihnen wurden gefangene Terror-Verdächtige zu Verhörzentren in anderen Staaten geflogen - oft illegal.
Vor allem in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren betrieb die CIA mit den Operationen "Artischocke", "Bluebird" und MKULTRA ausgedehnte, wissenschaftliche Forschungsprojekte zu Folter, Gehirnwäsche und Bewusstseinsbeeinflussung. Die Resultate flossen in ein Handbuch ein, das auch im Gefängnis von Abu Ghraib im Irak Anwendung fand. 2004 wurde bekannt, dass dort irakische Insassen von US-Soldaten misshandelt wurden. Das Fazit von Dick Cheney dazu lautete, die Foltermethoden der CIA hätten "gute Ergebnisse" erbracht.