Die Änderungen bei Sozialbeiträgen, Gesundheit und Hartz sind einschneidend. Doch es winkt auch etwas Entlastung.
Hamburg/Berlin. Das Geben und Nehmen geht weiter. Was sich 2011 für die Bundesbürger ändert bei Steuern und Abgaben, Krankenversicherung und Gesundheit, Hartz, Rente, beim Führerschein mit 17, beim Tanken, beim Elterngeld und selbst bei Flugreisen hat abendblatt.de in einer Übersicht zusammengestellt. Bei der Vielzahl der gesetzlichen Regelungen sind für die Bürger die Beiträge zur Sozialversicherung, aber auch Neuregelungen im Verkehr die größten Einschnitte. Eines scheint von vornherein klar: Es gibt weniger Netto vom Brutto
Weniger Nettogehalt: Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (von 14,9 auf 15 Prozent vom Bruttogehalt) und zur Arbeitslosenversicherung (2,8 auf 3,0 Prozent) steigen. Das belastet Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleich. Wer 1000 Euro brutto im Monat verdient, zahlt künftig insgesamt 4 Euro mehr, bei 2000 Euro sind es 8 Euro, bei 3000 Euro 12 Euro mehr. Darüber allerdings kann das Abgabenplus auch nur 11 oder 12 Euro betragen. Denn die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze sinkt. Darüber hilft auch die Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrages von 920 auf 1000 Euro nicht hinweg. Sie bringt zwischen 1,60 und 2,90 Euro für jeden Arbeitnehmer pro Monat.
Beitragsbemessungsgrenze: In der Krankenversicherung sinkt sie von 3750 auf 3712,50 Euro. Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer nur bis zu dieser Höhe Kassenbeiträge entrichten muss. So werden Einkommen in diesem Bereich geringfügig entlastet. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung gibt es nach Ost und West unterschiedliche Beitragsbemessungsgrenzen: Im Westen bleibt sie unverändert bei 5500 Euro Monatseinkommen. Im Osten steigt sie von 4650 auf 4800 Euro. Für Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern mit einem Verdienst von derzeit 4650 Euro oder mehr wird die Sozialversicherung in diesem Bereich um bis zu 17 Euro im Monat teurer.
Zusatzbeiträge: Künftige Mehrkosten für Ärzte, Kliniken und Arzneimittel müssen die Kassenmitglieder über Zusatzbeiträge bezahlen. Die Grenze für diese Zusatzbeiträge von einem Prozent des Einkommens entfällt. Es wird erwartet, dass spätestens Ende 2011 mehr Kassen Zusatzbeiträge verlangen werden. Übersteigt der durchschnittlich von allen Kassen erhobene Zusatzbeitrag zwei Prozent des Einkommens, erhält der Versicherte die Differenz zurück.
Krankenversicherung für Studenten: Für Studenten steigt der Beitrag zur Krankenkasse in zwei Schritten um rund 21 Prozent: am 1. Januar werden mit 55,55 Euro 2,15 Euro mehr fällig, zum Sommersemester 2011 springt der Beitrag auf 64,77 Euro.
Kostenerstattung beim Arzt: Gesetzlich versicherte Patienten können die Rechnungen beim Arzt selbst bezahlen und sich dann von ihrer Krankenkasse erstatten lassen. Allerdings kann es sein, dass die Kasse nur einen Teil erstattet. Diese Form der Kostenerstattung kann man künftig für drei Monate wählen. Verbraucherschützer warnen, dass Patienten auf Kosten sitzen bleiben können. Bei einer Kostenerstattung könnte der Patient schneller einen Termin beim Facharzt bekommen, sagen Befürworter.
Wechsel in die private Krankenversicherung: Für Besserverdiener wird der Wechsel in eine Privatkasse erleichtert. Wer brutto über der Versicherungspflichtgrenze von 4125 Euro verdient, kann nach einem Jahr von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung wechseln. Bisher musste man drei Jahre warten. Privatkassen haben allerdings ebenfalls bereits Prämienerhöhungen angekündigt. Der Verband der gesetzlichen Ersatzkassen (Vdek) warnt: „Einmal privat bedeutet immer privat.“ Man solle sich einen Wechsel gründlich überlegen. Die Prämien in der privaten Krankenversicherung würden im Alter stark steigen. Es gebe keine kostenfreie Familienmitversicherung.
Hartz IV: Der Regelsatz im Arbeitslosengeld II steigt von monatlich 359 auf 364 Euro. Derzeit wird das neue Hartz-Paket allerdings noch zwischen der schwarz-gelben Bundesregierung sowie SPD und Grünen beraten. Im Bundesrat hatte die Opposition die Neuregelungen abgelehnt. Die Übergangszahlungen vom Arbeitslosengeld I ins Arbeitslosengeld II entfallen ersatzlos. Der Bund bezahlt für Langzeitarbeitslose auch keine Beiträge mehr zur Rentenversicherung. Der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger wird gestrichen. Für Ein-Personen-Haushalte gab es bislang 24 Euro im Monat, für Fünf-Personen-Haushalte 49 Euro.
Elterngeld: Von 2011 an werden nur 65 statt 67 Prozent als Berechnungsgrundlage genommen, wenn das Nettoeinkommen bei mehr als 1200 Euro im Monat liegt. Für Empfänger von Arbeitslosengeld II soll das Elterngeld von 300 Euro monatlich ganz entfallen, ebenso für Top-Verdiener, die die „Reichensteuer“ zahlen.
Führerschein ab 17: Er erlaubt jungen Leuten, sich nach bestandener Fahrprüfung mit ihrem 17. Geburtstag ans Steuer zu setzen, wenn ein Erwachsener daneben sitzt. Der muss allerdings auch seit mindestens fünf Jahren einen Führerschein besitzen und darf höchstens drei Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei haben. Wenn ein Fahrer unter 18 ohne solche Begleitung angetroffen wird, ist die Fahrerlaubnis weg.
Riesen-Lkw: Sie sollen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Sachsen in einem Pilotversuch erprobt werden. Die anderen Bundesländer machen nicht mit. Angesichts des zunehmenden Güterverkehrs sehen Transportfirmen in den Gigalinern Hoffnung auf Entlastung. Zwei der rund 40 Tonnen schweren und bis zu 25,25 Meter langen Lastwagen können die Fracht von drei herkömmlichen Lastwagen transportieren, die Spritersparnis soll bei bis zu 20 Prozent liegen.
Biosprit: Eine völlig neue Sorte mit zehn Prozent Ethanol-Beimischung kommt an die Tankstellen. 90 Prozent aller Fahrzeuge können den Biosprit E10 tanken. Der ADAC empfiehlt, dass sich Autobesitzer bei ihren Werkstätten erkundigen. E10 soll einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Für alte Autos, deren Motoren den hohen Biosprit-Anteil nicht vertragen, muss bis 2013 weiterhin auch Treibstoff mit einem Ethanol-Anteil von fünf Prozent angeboten werden.
Diesel-Partikelfilter: Die bislang mit 330 Euro geförderte Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen mit Partikelfiltern fällt weg. Zudem richten nach Angaben der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen weitere Städte Umweltzonen mit Fahrbeschränkungen ein oder verschärfen bestehende (zum Beispiel Düsseldorf, Osnabrück und Wuppertal).
Erneuerbare Energien: Strom wird teurer. Als Grund geben die Energieversorger die Umlage-Erhöhung nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) von 2,047 Cent auf 3,53 Cent pro Kilowattstunde an. Mit dem Geld wird die Gewinnung regenerativer Energien wie Solarstrom gefördert. Allerdings weisen Verbraucherschützer auf gesunkene Strombezugskosten für die Versorger hin, sodass diese keinen Anlass für Aufschläge von bis zu 14,4 Prozent sehen. Die Betreiber von Atomkraftwerken müssen die Brennelementesteuer zahlen. Sie soll jährliche Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro bringen.
Luftverkehrsabgabe: Flugreisen werden teurer. Die „ökologische Luftverkehrsabgabe“ müssen die Airlines pro Passagier bezahlen, nach Entfernung gestaffelt. Bis 2500 Kilometer pro einfache Strecke werden 8 Euro fällig, bis 6000 Kilometer 25 Euro und für Langstreckenflüge 45 Euro. Die meisten Fluggesellschaften wälzen die Kosten auf die Passagiere ab.
Arbeitszimmer: Wer regelmäßig zuhause arbeitet, kann das Arbeitszimmer wieder bis zu 1250 Euro im Jahr steuerlich absetzen. Das gilt, „wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht“. Die Regelung gilt sogar rückwirkend zum 1. Januar 2007. Das Bundesverfassungsgericht hat im Juli das Verbot der steuerlichen Absetzbarkeit von Arbeitszimmern gekippt.
Lohnsteuerkarte: Die Lohnsteuerkarte hat ausgedient. Die gelbe Papp-Karte des Jahres 2010 gilt auch noch 2011. An ihre Stelle tritt stufenweise ein elektronisches Verfahren namens ELStAM: „Elektronische Lohnsteuer-Abzugsmerkmale“. Die Finanzämter übernehmen die volle Zuständigkeit für steuerrelevanten Daten: Beispielsweise müssen alle Freibeträge oder die Änderung der Steuerklasse künftig dort beantragt werden.
Sicherungsverwahrung: Der Bundesrat muss noch zustimmen, aber die Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher wird verschärft. Besonders gefährliche Sexual- und Gewaltverbrecher bleiben auch nach Verbüßung ihrer Strafe zum Schutz der Bevölkerung eingesperrt. Bei Dieben und Betrügern soll die Sicherungsverwahrung grundsätzlich nicht mehr angewandt werden. Derzeit sitzen in Deutschland rund 500 Täter in Sicherungsverwahrung.