Können die Eidgenossen kriminelle Zuwanderer automatisch ausweisen? Der Volksentscheid kollidiert mit EU-Verträgen und Menschenrechten.
Bern. Nach dem Schweizer Referendum über die Ausweisung straffällig gewordener Ausländer hat das politische Ringen begonnen. Wie sollen die Ergebnisse des Volksentscheides umgesetzt werden? Die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei (SVP) forderte, das Parlament müsse „rasch und kompromisslos“ die entsprechenden Gesetze verabschieden. Die anderen Parteien warnten vor rechtlichen Problemen bei der automatischen Ausweisung ausländischer Krimineller.
Eine Mehrheit des Schweizer Stimmvolks habe die Initiative angenommen, es gehe nun darum, sie umzusetzen, sagte die sozialdemokratische Justizministerin Simonetta Sommaruga. Allerdings könne die Umsetzung die umstrittenen „Ausschaffungsinitiative“ zum Konflikt mit der EU beim Personenfreizügigkeitsabkommen führen, so die Ministerin. Nach dem Abkommen können sich EU-Europäer in der Schweiz niederlassen. Eine „Ausschaffung“ könnte dieses Recht aushöhlen.
52,9 Prozent der Wähler hatten am Sonntag die „Ausschaffungsinitiative“ angenommen. In Zukunft soll allen Ausländern automatisch das Aufenthaltsrecht entzogen werden, wenn sie wegen bestimmter schwerer Delikte wie Mord, Vergewaltigung und Drogenhandel verurteilt werden. Auch wer missbräuchlich Sozialhilfe bezieht, muss das Land verlassen. Die Regierung wird eine Arbeitsgruppe einsetzen, die Vorschläge zur gesetzlichen Umsetzung des SVP-Plans formuliert. Die Experten haben dafür mehrere Jahre Zeit.
Nach Einschätzung von Experten könnte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Pläne als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention einstufen. Besonders die mögliche Ausweisung in Folterländer könnte rechtlich unhaltbar sein. Auch könnten Uno-Organe wie der Menschenrechtsrat monieren, dass die Initiative gegen die Uno-Anti-Folterkonvention verstößt. „Niemand darf in ein Land ausgeschafft werden, in dem ihm Tod und Folter drohen“, betonte Justizministerin Sommaruga.
Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) betonte unterdessen, sie wolle möglichst viele ihrer Vorstellungen in die neuen Gesetze einbringen. Die CVP hatte maßgeblich am Gegenvorschlag des Parlaments zu der Ausschaffungsinitiative mitgewirkt, Die Schweizer hatten aber den Gegenvorschlag mit rund 54 Prozent abgelehnt. „Am Schluss werden wir ein Gesetz haben, das nahe am Gegenvorschlag ist“, sagte eine CVP-Sprecherin.