Ein geplantes Treffen der Finanzminister findet nicht statt, noch zu viele Fragen seien offen. Rettung mindestens bis Montag aufgeschoben.
Brüssel/Athen. Das grüne Licht für die Griechenland-Rettung wird zumindest bis kommenden Montag weiter aufgeschoben. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker sagte ein für Mittwoch geplantes Treffen der Finanzminister ab. Statt dessen sollen die Ressortchefs nun eine Telefonkonferenz abhalten, um die offenen Fragen zu beraten, teilte Juncker mit.
Und davon gibt es noch eine Menge: Weder lag bis zum Dienstag die geforderte Zusicherung der griechischen Koalitionsparteien vor, das Sparprogramm umzusetzen. Zudem gibt es noch keine Einigung, wie eine Finanzierungslücke von 325 Milliarden Euro geschlossen werden soll. Und auch die Schuldentragfähigkeitsanalyse der Troika lag noch nicht vor.
„Weitere technische Arbeit zwischen Griechenland und der Troika ist notwendig“, erklärte Juncker. Die Hoffnung, bereits am Mittwoch erhalte Athen die Zusage für ein zweites Rettungspaket von 130 Milliarden Euro und auch die Zustimmung, um den Schuldenerlass des Privatsektors einzuleiten, haben sich damit zerstoben. Nächster möglicher Termin dafür ist kommender Montag, wenn die Euro-Finanzminister zu ihrer regulären Sitzung zusammenkommen.
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Hintergrund:
Eingriff in die griechische Souveränität: Was Athen alles tun soll, damit es weitere Milliardenhilfen gibt
Vor der Zahlung weiterer Milliardenhilfen muss Griechenland zahlreichen Bedingungen zustimmen. Diese sind in einer Absichtserklärung, einem „Memorandum of Understanding“ zusammengefasst, das voraussichtlich beim nächsten Treffen der Eurogrupe am Montag in Brüssel unterzeichnet wird. Sollte die griechische Regierung diese Bedingungen erfüllen, bliebe von der Souveränität des Landes kaum etwas übrig. Die Einschnitte reichen vom Gesundheitswesen bis in die Tarifautonomie. Hier einige markante Punkte aus dem 55-seitigen Entwurf.
– Volle Kontrolle: Damit das Geld regelmäßig fließt, muss die Regierung in Athen alle drei Monate einen Bericht vorlegen und Fortschritte bei den Reformen im Land nachweisen. Griechenland verpflichtet sich zur engen Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, der EZB und dem IWF und muss Zugang „zu allen relevanten Daten und sonstigen Informationen“ gewähren.
– Sparen, bis es kracht: Per Nachtragshaushalt oder anderen Gesetzen muss Athen sicherstellen, dass unter anderem 1,1 Milliarden Euro in der Gesundheitsversorgung gespart werden, Militärausgaben um 300 Millionen Euro gesenkt und andere Investitionen um 400 Millionen Euro zusammengestrichen werden.
– Das Tafelsilber muss weg: Mit einem Privatisierungsprogramm soll Athen mittelfristig 50 Milliarden Euro einnehmen. Die Regierung muss dazu notfalls ihre restlichen Anteile an staatseigenen Unternehmen verkaufen. Lediglich „kritische Netzinfrastruktureinrichtungen“ dürfen die Hellenen behalten.
– Öffentliche werden teurer: Die Fahrpreise bei der griechischen Eisenbahn sollen um mindestens 25 Prozent steigen. In der Erklärung findet sich diese Maßnahme übrigens im Kapitel „Verringerung von Verschwendung in staatseigenen Unternehmen und anderen staatlichen Organisationseinheiten“.
– Steuersünder im Visier: Die Regierung muss bis Juni eine Steuerreform auf die Beine stellen. Das Steuersystem soll vereinfacht, die Bemessungsgrundlagen sollen verbreitert und Steuerbefreiungen aufgehoben werden, damit mehr Geld in die Staatskasse kommt. Fachleute sehen hier einen der Kernpunkte des Forderungskatalogs. Auch die Steuerverwaltung steht vor Umwälzungen. Steueramnestien dürfen nicht mehr gewährt werden. Große Steuerzahler, Reiche und Selbstständige soll verstärkt geprüft werden. Steuerrückstände sollen schnell eingetrieben werden. Dazu werden mehr Steuerfahnder eingestellt.
– Weniger Büroschlaf: Die oft kritisierte üppige Personalausstattung in der Verwaltung soll drastisch zurückgefahren werden. Ziel ist es, „die Beschäftigung im öffentlichen Sektor von Ende 2010 bis Ende 2015 um 150.000 zu reduzieren“. Nötigenfalls müssen Einstellungsstopps verhängt werden. Weitere 15.000 Beschäftigte werden noch dieses Jahr „in die Arbeitsreserve versetzt“. Die Gehaltsstruktur soll unter die Lupe genommen werden.
– Banken im Stress: Alle Banken müssen bis zum dritten Quartal dieses Jahres eine „harte Kernkapitalquote“ von neun Prozent erfüllen: Neun Prozent des Kreditvolumens müssen Eigenkapital gedeckt sein. Ab April 2013 erhöht sich die Quote auf zehn Prozent. Werte von mindestens sieben Prozent gelten als gesund. Um eine solide Eigenkapitalausstattung des Bankensystems sicherzustellen, soll die Griechische Zentralbank bis zum zweiten Quartal 2013 einen neuen Stresstest vornehmen.
– Tarifautonomie adé: Die durch einen Gesamttarifvertrag vereinbarten Mindestlöhne werden um 22 Prozent gegenüber dem am 1. Januar 2012 geltenden Niveau gesenkt. Für junge Menschen unter 25 Jahren gehen die Löhne ohne Ausnahmen um 32 Prozent runter. Alle Regelungen über automatische Lohnzuwächse, auch solche mit Bezug auf das Dienstalter oder die Firmenzugehörigkeit, werden ausgesetzt.
– Tiger im Tank: Die Absichtserklärung klärt auch skurril anmutende Details: Unter der Überschrift „Tankstellen je Präfektur“ soll das Gesetz 3897/2010 neu gefasst werden, um die darin geregelte „Mindestentfernung zwischen einer Tankstelle und einer Versammlungsstätte für mehr als 50 Personen auf ein geringeres Maß zu setzen“. (dapd)