Bei der Abstimmung im Parlament votierte eine Mehrheit für das milliardenschwere Paket. Auf den Straßen wird dagegen heftig protestiert.

Der Weg ist frei: Nach hitzigen Debatten hat das griechische Parlament das umstrittene Sparpaket gebilligt. Nach dem Ja des griechischen Parlaments zum harten Sparpaket hat die EU-Kommission Griechenland weitere Unterstützung in Aussicht gestellt. „Die EU steht an der Seite des griechischen Volkes“, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn am Montag in Brüssel. „Die gestrige Zustimmung ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Annahme des zweiten Hilfspakets.“ Das neue Paket soll 130 Milliarden Euro umfassen. Der Kommissar zeigte sich zuversichtlich, dass Athen bis zum Treffen der Euro-Finanzminister an diesem Mittwoch (15.) in Brüssel alle Bedingungen erfüllt, so dass die Hilfe freigegeben werden kann. Mit einem Ultimatum wollen die Euro-Finanzminister den Schuldensünder zu Zugeständnissen für ein neues Rettungsprogramm zwingen. Zu den Bedingungen gehören neben der Zustimmung des Parlaments sowie der Regierungsparteien auch Einsparungen von 325 Millionen Euro im laufenden Jahr.

Bei der Abstimmung gestern Nacht im 300 Mitglieder zählenden Parlament votierten 199 Abgeordnete der Sozialisten und der Konservativen sowie einige unabhängige Abgeordnete dafür. Es gab 74 Gegenstimmen von kommunistischen und linken Abgeordneten sowie zahlreichen Abweichlern aus den Reihen der Konservativen und der Sozialisten. Fünf Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Anwesend waren 278 Abgeordnete. „Damit ist das Sparpaket gebilligt“, stellte Parlamentspräsident Filippos Petsalnikos fest. Nach der Abstimmung schlossen Sozialisten und Konservative mehr als 40 Abweichler aus ihren Fraktionen aus.

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Die Zustimmung aus Athen ist Voraussetzung dafür, dass die EU-Finanzminister am Mittwoch ein weiteres Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro bewilligen.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hat das umstrittene griechische Sparpaket verteidigt. Die darin vorgesehenen Massenentlassungen und Lohnkürzungen halte er zwar nicht für richtig, sie seien aber notwendig. Die Alternative wäre Griechenlands Zahlungsunfähigkeit mit dramatischen Auswirkungen auf Rentner und kleine mittelständische Betriebe. „Das kann niemand im Ernst wollen“, sagte der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion. Richtig sei es deswegen, viel Geld in die Hand zu nehmen, um dieses Szenario zu verhindern.

Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) sieht die Lage in Athen allerdings noch nicht entschärft. Der Parlamentsbeschluss sei nur die notwendige Bedingung, sagte er am Montag im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF. Entscheidend sei aber die Umsetzung der Reformen, über die der Bericht der Troika von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank Auskunft geben werde. Erst auf dieser Grundlage werde sich der Bundestag mit weiteren Hilfen befassen und gegebenenfalls das zweite Griechenland-Paket freigeben. Rösler verteidigte die harte Haltung der Euro-Länder gegenüber Athen. Es sei richtig gewesen, Griechenland mit dem aufgebauten Druck in die richtige Richtung zu schieben. Bei den Aussichten für das von der Pleite bedrohte Land, bleibe es aber bei vorsichtiger Zurückhaltung. Schließlich habe es auch seit längerem Steuergesetze in Griechenland gegeben, die aber nicht vernünftig eingehalten worden seien.

Proteste in Athen

Die Entscheidung des griechischen Parlaments wurde von stundenlangen Ausschreitungen im Zentrum von Athen überschattet. Aus Protest gegen die geplanten Lohnkürzungen und Massenentlassungen im Staatsapparat richteten Randalierer schwere Verwüstungen im Zentrum der Hauptstadt an. Vermummte lieferten sich bis weit in die Nacht Straßenschlachten mit der Polizei. Es wurden Dutzende Geschäfte angezündet und geplündert. Mehr als 120 Menschen wurden verletzt. Während der Parlamentsabstimmung selbst demonstrierten 100.000 Menschen vor dem Gebäude. Mindestens 45 Geschäfte wurden in Brand gesetzt, darunter auch etliche historische Gebäude. Auch Kinos, Banken und eine Cafeteria wurden beschädigt. Fünfzig Polizisten wurden verletzt, mindestens 70 Demonstranten ins Krankenhaus gebracht. 67 mutmaßliche Randalierer wurden verhaftet und weitere 70 Menschen in Gewahrsam genommen.

Der parteilose Ministerpräsident Lucas Papademos warb vor den Abgeordneten eindringlich für die Zustimmung zum umstrittenen Sparpaket. Es sei eine „Entscheidung von historischer Bedeutung“, sagte Papademos in einer hitzig geführten Debatte. Papademos zeigte zugleich Verständnis für die Widerstände in der Gesellschaft gegen das Spardiktat der internationalen Geldgeber. „Die fehlende Anerkennung der Bemühungen der Griechen und die ständige Kritik einiger Partner erzeugt Empörung unter den Griechen.“ Der parteilose Regierungschef kündigte ein neues Steuersystem an. „Der ganze Staat soll neu gegründet werden.“

Das Sparpaket

Das pleitebedrohte Land stand unter massivem Druck der Geldgeber. Deutschland will nach den Worten von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nur noch helfen, wenn Athen Sparpakete nicht nur beschließt, sondern auch in die Tat umsetzt. „Deswegen reichen uns jetzt die Versprechen von Griechenland nicht mehr“, sagte er in der „Welt am Sonntag“. Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) forderte im ARD-„Bericht aus Berlin“, Griechenland müsse Vereinbartes auch umsetzen. „Erst wenn das passiert, erst dann kann es neue Hilfen geben und darauf ist Griechenland ja dringend angewiesen.“

Die Zeit drängte: Die Euro-Finanzminister wollen sich am Mittwoch erneut treffen, um das zweite, 130 Milliarden Euro umfassende Hilfspaket für Griechenland zu bestätigen. Es umfasst neue öffentliche Hilfen von 100 Milliarden Euro, dazu kommen 30 Milliarden Euro zusätzliche Garantien zur Absicherung des geplanten Schuldenschnitts. Dieser soll die griechische Schuldenlast um rund 100 Milliarden Euro verringern.

Parlamentspräsident Petsalnikos musste in der hitzigen Parlamentsdebatte mehrmals einschreiten, weil einzelne Abgeordnete die Aussprache mit Schreien und Beschimpfungen störten. Athen hatte sich in der vorigen Woche mit den Finanzkontrolleuren der „Troika“ aus EU, EZB und IWF auf ein neues radikales Sparprogramm geeinigt. Die geplanten Einschnitte sehen unter anderem kräftige Lohnkürzungen im Privatsektor sowie Entlassungen von 150 000 Staatsbediensteten bis 2015 vor. Am Freitag und Samstag hatten Gewerkschaften erneut mit Streiks darauf reagiert. Das hoch verschuldete Land hängt bereits seit 2010 am internationalen Finanztropf. Die damals zugesagten Hilfskredite im Umfang von 110 Milliarden Euro reichen aber längst nicht mehr aus. Damals handelte es sich um bilaterale Vereinbarungen, das zweite Hilfspaket soll vom Euro-Rettungsfonds EFSF kommen.