Der afghanische Präsident sorgte kürzlich mit einer ganzen Serie von Äußerungen für Verstimmung in Washington.
Washington/Kabul. Der Streit zwischen Washington und Kabul spitzt sich weiter zu:Nach den umstrittenen Äußerungen des afghanischen Präsident Hamid Karsai drohen die USA damit, seinen geplanten Besuch in Washington abzublasen. Wenn Karsai weiterhin derart ärgerliche Bemerkungen machen sollte, müsse man eine Absage prüfen, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs. Ein ehemaliger UN-Gesandter in Kabul äußerte unterdessen den Verdacht, dass Karsai Drogen nehme. Die von Karsai angekündigte Ratsversammlung (Dschirga), bei der sich die Regierung breite Unterstützung für eine Aussöhnung mit den Taliban sichern will, soll am 2. Mai beginnen.
Karsai sorgte kürzlich mit einer ganzen Serie von Äußerungen für Verstimmung in Washington. Zunächst behauptete er, hinter den Manipulationen bei der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr hätten ausländische Diplomaten gesteckt. Dann machte er den Start einer geplanten US-Großoffensive gegen die Taliban in der südafghanischen Provinz Kandahar von der Zustimmung örtlicher Stammesführer abhängig.
Zudem schreckte Karsai das politische Washington nach Angaben der „New York Times“ mit der Drohung auf, sich selbst den aufständischen Taliban anzuschließen, wenn ausländische Mächte ihn weiterhin ständig kritisieren. „Wenn Ihr und die internationale Gemeinschaft mich noch mehr unter Druck setzt, dann, das schwöre ich Euch, werde ich mich den Taliban anschließen“, soll Karsai nach Angaben eines afghanischen Parlamentariers gesagt haben.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur irgendjemand in diesem Land diese Bemerkungen anders als besorgniserregend beurteilt“, sagte Gibbs. „Wir werden sicherlich alle möglichen weiteren Bemerkungen Karsais prüfen, ob ein solches Treffen (mit Obama) konstruktiv wäre.“ Vorläufig bleibe der für Mai ins Auge gefasste Besuch aber im Programm, meinte Gibbs.
Der ehemalige UN-Gesandte in Kabul, Peter Galbraith, bezeichnete Karsais Verhalten als impulsiv und unausgeglichen und führte dies auf einen möglichen Drogenkonsum zurück. Dem TV-Sender MSNBCsagte er: „Einige Palast-Insider in Kabul sagen, er habe eine gewisse Vorliebe für einige der gewinnträchtigsten Exportgüter Afghanistans“, meinte Galbraith nach Angaben des Senders mit Blick auf den florierenden Opiumschmuggel.
Die Beziehungen zwischen Washington und Kabul stehen seit längerem nicht gerade zum Besten: Die USA werfen Karsai vor, er tue nicht genug gegen Korruption und den illegalen Handel mit Rohopium, außerdem bemängeln sie schlechte Leistungen der afghanischen Sicherheitskräfte. Hinter vorgehaltener Hand werfen die USA Karsaieinen Mangel an Durchsetzungswillen und -fähigkeit vor.
Der Chef der umstrittenen afghanischen Wahlkommission (IEC), Asisullah Ludin, trat am Mittwoch zurück. Knapp acht Monate nach der von Betrug überschatteten Präsidentschaftswahlreichte auch der IEC- Direktor, Daoud Ali Nadschafi, seinen Rücktritt ein, sagte der Sprecher von Präsident Hamid Karsai, Wahid Omar, am Mittwoch. Karsai habe beide Rücktrittsgesuche akzeptiert. „In der nahen Zukunft wird der Präsident nach Erwägungen und notwendigen Konsultationen neue Menschen auf ihre Posten berufen. Die Gründe für die Amtsniederlegung der beiden Kommissionsmitglieder blieben unklar. Aus organisatorischen und Sicherheitsgründen war die Parlamentswahl von Mai auf den 18. September verlegt worden.
Die Gewalt in Afghanistan dauerte unterdessen an. Bei einem Selbstmordanschlag auf US-Truppen in der ostafghanischen Stadt Dschalalabad wurde am Mittwoch ein Zivilist getötet. 15 weitere wurden verletzt. Ein Sprecher der Regierung der Provinz Nangarhar sagte, Soldaten seien nicht ums Leben gekommen oder verwundet worden. Das afghanische Innenministerium teilte mit, fünf Aufständische seien in der südafghanischen Provinz Helmand getötet worden, als ihre Bombe frühzeitig detonierte.