Eine Hartz-IV-Familie wollte zusätzliches Kleidergeld für ihre Kinder haben. Ihre Klage hat das Sozialgericht in Kassel nun abgewiesen – zu seinem Bedauern.
Kassel. Hartz-IV-Empfänger haben keinen Anspruch auf zusätzliches Kleidergeld für ihre Kinder. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Hartz-IV-Familien bekommen demnach keine Sonderzahlung vom Amt, wenn ihre Kinder aus der Kleidung schnell herauswachsen. Die höchsten deutschen Sozialrichter sehen darin keinen Härtefall. Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung in seinem Urteil vom 9. Februar nicht nur aufgetragen die Hartz-IV-Sätze bis zum Jahresende neu zu berechnen, sondern auch die Härtefälle anders zu regeln.
„Wachstum bei Kindern ist der Normalfall“, erklärten die Richter jedoch. Bei Kindern gehöre die Notwendigkeit, Kleidung wegen des Wachstums und des erhöhten Verschleißes in kurzen Abständen zu ersetzen, zum regelmäßigen Bedarf und sei in der Hartz-IV-Regelleistung enthalten. Im konkreten Fall hatte eine Familie aus dem Kreis Recklinghausen 2006 für zwei ihrer drei Kinder ein zusätzliches Kleidergeld gefordert. Die damals drei und vier Jahre alten Kinder seien so schnell gewachsen, dass sie einen kompletten Satz Winterkleidung wie Schuhe, Handschuhe oder eine Winterjacke benötigten.
Die Winterkleidung sollte als Erstausstattung gewertet werden. Nach dem Gesetz könnten auch Schwangere oder Kinder nach der Geburt eine Erstausstattung erhalten, argumentierten die Kläger. Gleiches gelte bei einer krankheitsbedingten Änderung des Gewichts. „Das muss dann auch für einen wachstumsbedingten Bedarf gelten“, sagte der Anwalt der Familie, Peter Frings. Es gehe schließlich um eine komplette Neuanschaffung für Kleidung. Außerdem könnten Kinder von Sozialhilfeempfängern solch einen Sonderbedarf einfordern. Könnten dies Kinder von Arbeitslosengeld-II-Beziehern nicht ebenfalls beanspruchen, werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, argumentierte die Familie. Das BSG wies ihre Klage jetzt in letzter Instanz ab.
Die derzeitigen Vorschriften seien zwar nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar rechtlich nicht haltbar. Karlsruhe habe aber eine Änderung der Gesetze erst ab 2011 gefordert. „Das ist etwas unbefriedigend, weil wir einen rechtswidrigen Zustand auf den Rücken der Kläger austragen“, sagte der Vorsitzende Richter Peter Udsching.
Es war nicht das einzige Urteil zu Hartz IV, das das BSG diese Woche fällte. Bereits gestern entschied es, dass Jobcenter die Nebenkostenabrechnung von Hartz-IV-Empfängern begleichen müssen, selbst wenn diese verspätet eingereicht wurde. Diese Unterkunftskosten gehören zum aktuellen Bedarf eines Arbeitslosengeld-II-Empfängers und sind ohne besonderen Antrag zu erstatten, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Der 4. Senat gab damit einer türkischen Familie mit sieben Kindern aus dem Rhein-Sieg-Kreis recht.
Für das Jahr 2006 forderte der Vermieter von der Familie eine Nachzahlung für Heiz- und Betriebskosten in Höhe von 1.413 Euro. Die Summe sollte bis Ende April 2007 beglichen werden. Die Nebenkostenabrechnung reichte die Familie allerdings erst am 4. Juni 2007 bei der Arbeitsgemeinschaft Rhein-Sieg zur Kostenerstattung ein. Die Behörde wollte allerdings nicht zahlen. Die Familie habe die Zahlungsfrist des Vermieters verstreichen lassen, hieß es. Damit handele es sich bei der Nebenkostenabrechnung nicht mehr um laufende Unterkunftskosten, die zu erstatten wären, sondern nur noch um Mietschulden. Bei Schulden gebe es nach den gesetzlichen Regelungen jedoch keine Erstattungspflicht.
Die Kläger argumentierten dagegen, dass der Bedarf tatsächlich entstanden und als Unterkunftskosten zu übernehmen sei. Der Behörde sei es bekannt gewesen, dass jährlich eine Nebenkostenabrechnung fällig werde. Außerdem spiele das Versäumen der Zahlungsfrist des Vermieters keine Rolle, ob die Nebenkosten zu übernehmen seien oder nicht. Dieser Argumentation folgte auch das Bundessozialgericht ebenso wie die Vorinstanzen. Die verspätet eingereichte Nebenkostenabrechnung sei nicht zu Mietschulden geworden. Es handele sich vielmehr um einen tatsächlich eingetretenen Bedarf der Familie. Die Arbeitsgemeinschaft müsse der Familie daher insgesamt 976 Euro an Nebenkosten erstatten. Nur die Kosten für die Warmwasseraufbereitung müssten die Kläger nach gängiger Rechtsprechung selbst aufbringen.