Selbst bei einem niedrigen Stundenlohn bleibt dem Geringverdiener mehr Geld in der Tasche als dem Arbeitslosen, so ein Wohlfahrtsverband.
Berlin. Geringverdiener haben einer Studie zufolge mehr Geld zur Verfügung als Hartz-IV-Empfänger. Selbst bei Stundenlöhnen unter sechs Euro hätten sie mehr Geld in der Tasche, heißt es in einer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband präsentierten Untersuchung. Je nach Haushaltstyp betrage der Abstand zwischen 260 und 900 Euro. Eine besondere Rolle spielten in diesem Zusammenhang das Wohngeld und der Kinderzuschlag, die in vielen Fällen ein Aufstocken durch Hartz IV überflüssig machten.
Der Bundesgeschäftsführer der Volkssolidarität, Bernd Niederland, sagte, die Expertise räume gründlich mit dem weit verbreiteten Vorurteil auf, „dass die Hartz-IV-Leistungen gegen das Lohnabstandsgebot verstoßen“. Das Material belege, dass mit falschen Behauptungen versucht werde, Bezieher von Sozialleistungen und Geringverdiener gegeneinander auszuspielen. Solche Vorurteile vergifteten das soziale Klima und sollten offenbar Kürzungen im Sozialbereich vorbereiten.
Der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Werner Dreibus, sagte, die Expertise entlarve die von FDP-Chef Guido Westerwelle entfachte Debatte „um angeblich zu hohe Hartz IV-Sätze als reinen Populismus und Volksverdummung ohne jede reale Grundlage“. DGB-Chef Michael Sommer kritisierte, Westerwelle habe die Schwächsten der Schwachen instrumentalisiert. Wer an den Sozialstaat Hand anlege, „der muss wissen, dass es genug Kräfte gibt, die den Sozialstaat verteidigen“.
Dagegen gab der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Andreas Pinkwart in der „WirtschaftsWoche“ Westerwelle Rückendeckung. „Er hat es zugespitzt, aber das ist auch notwendig“, meinte Pinkwart.
Der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) bezeichnete die aktuellen Hartz-Sätze als ausreichend, warf Westerwelle jedoch in der Sozialstaatsdebatte geistige Armut vor. Westerwelles Vergleich zwischen staatlichen Leistungen für Langzeitarbeitslose und spätrömischer Dekadenz sei ein „völlig misslungenes Bild“, das dem Vizekanzler ein „intellektuelles Armutszeugnis ausstelle“, sagte der Bundesbank-Vorstand der „Süddeutschen Zeitung“.