Wegen populistischer Äußerungen prüft SPD Parteiausschluss des Ex-Senators. Der poltert erneut los - diesmal auch gegen Westerwelle.
Berlin. Die Landesschiedskommission der Berliner SPD berät Montagnachmittag über einen möglichen Parteiausschluss von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin. Dies hatten zwei Kreisverbände beantragt. Sie werfen dem früheren Berliner Finanzsenator parteischädigendes Verhalten vor. Auf der Grundlage eines Gutachtens stufen sie Äußerungen Sarrazins über Ausländer in einem Interview als eindeutig rassistisch ein. Das sei mit SPD-Positionen nicht vereinbar und schädige das Ansehen der Partei.
Stein des Anstoßes ist ein Interview Sarrazins in einer Literaturzeitschrift. Darin hatte der 65-Jährige mehrfach betont, eine große Zahl an Arabern und Türken in Berlin habe keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel. Er müsse niemanden anerkennen, der vom Staat lebt und diesen Staat ablehnt und ständig „neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und für 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin.“ Die Kreisschiedskommission sah in den Äußerungen weder ein parteischädigendes noch ein ehrloses Handeln von Sarrazin. Er habe nicht vorsätzlich die Statuten der SPD verletzt. Dass möglicherweise viele SPD-Mitglieder nicht mit Sarrazins Äußerungen einverstanden seien, „stellt keine Verletzung des Gebotes der innerparteilichen Solidarität dar“, so die Begründung. Strafrechtliche Ermittlungen wegen Verleumdung und Volksverhetzung waren eingestellt worden.
Die Kreisverbände Pankow und Spandau ließen daraufhin ein wissenschaftliches Gutachten erstellen, weil sie die Äußerungen Sarrazins mit den Positionen der SPD für unvereinbar halten. Ein Extremismusforscher des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam stufte viele Passagen in dem Sarrazin-Interview als „eindeutig rassistisch“ ein. Das Parteiausschlussverfahren ist in der Berliner SPD umstritten. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) distanzierte sich zwar ungewöhnlich scharf von Sarrazins Äußerungen. Er ließ aber offen, ob man den Ex-Finanzsenator deshalb ausschließen sollte. Die Linke in der SPD unterstützt dagegen ausdrücklich einen Ausschluss, während die eher rechts orientierten Parteimitglieder einen Ausschluss ablehnen.
Sarrazin attackierte das Gutachten in der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) scharf als intellektuell und moralisch „unsauber, schleimig und widerlich“. Zum Ausgang des Verfahrens sagte er: „Das stehe ich völlig bewegungslos durch.“ Der Ex-Senator hatte in dem Interview gesagt, eine große Zahl an Arabern und Türken in Berlin habe keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel. Er müsse niemanden anerkennen, der vom Staat lebt und diesen Staat ablehnt und ständig „neue kleine Kopftuchmädchen produziert“. Eine Entscheidung noch am Montag gilt nach Angaben einer SPD-Sprecherin als eher unwahrscheinlich.
Thilo Sarrazin hat sich auch zur aktuellen Hartz-Debatte geäußert und die Regelsätze als ausreichend bezeichnet. FDP-Chef Guido Westerwelle warf er in der Sozialstaatsdebatte jedoch geistige Armut vor. Westerwelles Vergleich zwischen staatlichen Leistungen für Langzeitarbeitslose und spätrömischer Dekadenz sei ein „völlig misslungenes Bild“, das dem Vizekanzler ein „intellektuelles Armutszeugnis ausstelle“, sagte der Bundesbank-Vorstand der „Süddeutschen Zeitung“.
Sarrazin verteidigte die geltenden Hartz-IV-Sätze gleichwohl. Letztlich sei es keine Geldfrage, sondern eine Frage der Mentalität, des Wollens und der Einstellung. „Wo diese fehlt, hilft auch kein Geld, und wo diese da ist, ist das Geld gar nicht so wichtig.“ Als Sparmöglichkeit nannte Sarrazin das Duschen: „Kalt duschen ist doch eh viel gesünder. Ein Warmduscher ist noch nie weit gekommen im Leben.“