Was hat Hartz IV bewirkt? Fünf Jahre nach seiner Einführung ziehen Arbeitsmarktforscher in einer neuen Studie eine durchwachsene Bilanz.
Berlin. Es war die Geburtsstunde von Hartz IV, als vor fast fünf Jahren am 1. Januar 2005 der vierte Teil der Arbeitsmarktreform in Kraft trat. Was hat die Reform gebracht? Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat dies untersucht und legte jetzt die Ergebnisse vor. Bei der Vorstellung der Studie zog IAB-Direktor, Joachim Möller, eine „verhalten positive Hartz-IV-Bilanz“. In der Tendenz würden die angestrebten Ziele der Arbeitsmarktreform erreicht. Probleme gebe es aber noch bei der Betreuung der Langzeitarbeitslosen.
Eines der größten Probleme ist, dass nach jahrelangem Hartz-IV-Bezug nur verhältnismäßig wenige Arbeitslose die Rückkehr in ein normales Berufsleben schaffen. „Der Ausstieg aus Hartz IV gelingt immer noch relativ selten“, heißt es in der vorgestellten Bilanz. Drei Viertel der Betroffenen beziehen demnach das Arbeitslosengeld II ein Jahr lang durchgängig. Von denen, die den Ausstieg schaffen, findet nur die Hälfte einen neuen Job. Jeder Achte landet in der Zeitarbeit.
Auch bei der Betreuung der Langzeitarbeitslosen gibt es dem IAB zufolge noch Defizite. Die Klientel sei sehr heterogen, so dass es schwer sei, das richtige Training oder die richtige Weiterbildung zu finden, sagte Möller. So seien zu Beginn der Reform häufig Jugendliche in Ein-Euro-Jobs vermittelt worden, obwohl diese Jobs für Menschen gedacht seien, die lange keine reguläre Stelle gehabt hätten.
Besonders schwierig sei die Lage von Alleinerziehenden am Arbeitsmarkt, so das IAB. Von allen Gruppen unter den Hartz-IV-Empfängern seien sie am längsten auf die Unterstützung angewiesen. Ein Drittel der Alleinerziehenden mit kleinen Kindern gebe an, wegen fehlender Kinderbetreuung keine Stelle gefunden zu haben, sagte Mark Trappmann, der für das IAB die Langzeitstudie mit 10.000 Hartz-IV-Empfängern geleitet hat.
Insgesamt habe die Hartz-IV-Reform aber zu einem Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit beigetragen. Die Zahl der erwerbsfähigen Hilfeempfänger sei von 5,44 Millionen im Jahr 2006 auf 4,92 Millionen im Juli dieses Jahres zurückgegangen, berichtete Möller. Zwar sei schwer festzustellen, ob dieser Rückgang vor allem durch die Arbeitsmarktreformen oder den Konjunkturaufschwung verursacht wurde. Es sei aber zu beobachten, dass der Rückgang schneller vonstatten ging als in konjunkturellen Aufschwungzeiten vor der Hartz-IV-Reform, erklärte der IAB-Chef. Im kommenden Jahr rechnen die Forscher allerdings wegen der Wirtschaftskrise mit einer deutlich höheren Zahl von Hartz-IV-Empfängern.
Nach wie vor beschäftigt die Hartz-IV-Reform auch die deutschen Gerichte. Erst heute entschied das Bundessozialgericht in Kassel, dass das Land Berlin dem Bund rund 13,1 Millionen Euro Schadenersatz nebst Zinsen für überhöhte Wohnungskosten für Hartz-IV-Empfänger zahlen muss. Ursprünglich hatte der Bund rund 47 Millionen Euro zurückgefordert.
Der Bund und die Länder teilen sich die Kosten für Unterkunft und Heizung von Hartz-IV-Empfängern. Der Bund hatte das Land Berlin verklagt, weil es durch eine eigene Landesregelung zwischen 2005 und 2008 geduldet hat, dass die Betroffenen ein Jahr lang in zu teuren Wohnungen bleiben durften. Die Bundesregelung sah dagegen höchstens ein halbes Jahr vor. Das rot-rot regierte Berlin habe vorsätzlich und schwerwiegend seine Pflicht verletzt, höherrangiges Recht beim Erlass von Verwaltungsvorschriften zu beachten, urteilte das Bundessozialgericht.