Immer mehr Fälle von sexuellem Missbrauch an Schulen werden bekannt. Schleswig-Holsteins SPD-Chef Stegner fordert nun Konsequenzen.
Im Kampf gegen sexuellen Missbrauch in kirchlichen und staatlichen Einrichtungen hat SPD-Bundesvorstandsmitglied Ralf Stegner die gesetzlichen Verjährungsfirsten infrage gestellt. „Es muss gelingen, die Dunkelziffer zu verringern und das zum Teil jahrzehntelange Schweigen aufzubrechen“, sagte der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende dem Hamburger Abendblatt. „Gesetzliche Verjährungsfristen sollten in diesem Zusammenhang überprüft werden." Dieses Thema verlange ein Höchstmaß an Sensibilität und Aufmerksamkeit, mahnte Stegner. Aktionismus sei daher unangebracht.
Derzeit beträgt die strafrechtliche Verjährungsfrist bei schwerem Kindesmissbrauch 20 Jahre. Allerdings beginnt die Frist erst mit dem vollendeten 18. Lebensjahr des Opfers und kann damit theoretisch bis zu 38 Jahre dauern. Damit soll es den unmündigen Opfern ermöglicht werden, später als Volljährige innerhalb der Verjährungsfrist selbst Anzeige erstatten zu können.
Die Verjährung von Straftaten basiert auf dem Gedanken, dass eine Strafe möglichst zeitnah die Schuld eines Täters ausgleichen und zugleich zu seiner Erziehung und Besserung sowie zur Abschreckung dienen soll. Weil dies bei lang zurückliegenden Straftaten kaum noch sinnvoll scheint, schwindet demnach auch das Bedürfnis des Staates, diese Taten zu sanktionieren.
Auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat sich für eine Verlängerung der Verjährungsfristen ausgesprochen. Sie halte diese Maßnahme schon deshalb für sinnvoll, „weil die bisherige Erfahrung lehrt, dass über Missbrauch erst nach vielen Jahren gesprochen wird und die Täter womöglich straffrei bleiben“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“. Jetzt müsse vor allem alles lückenlos aufgearbeitet werden.
Schavan kündigte an, in den nächsten Tagen mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz und den Lehrerverbänden darüber zu sprechen, was über die Aufklärung hinaus getan werden kann, um Vertrauen wieder herzustellen. Eltern müssten sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder in pädagogischen Einrichtungen in guter Obhut sind. „Dazu gehört eine Atmosphäre des Respektes und der Wertschätzung. Dazu gehören auch Pädagogen, die nicht nur fachlich gut sind, sondern auch einen klaren Kompass haben und persönliche Reife besitzen, die dem Vertrauen gerecht wird, das ihnen seitens der Kinder und Jugendlichen entgegengebracht wird“, betonte Schavan.
Patrick Meinhardt, Mitglied des FDP-Fraktionsvorstandes, mahnte eine „Kultur des Hinsehens“ an. Zudem müsse die Kultusministerkonferenz gemeinsam mit den Ländern nach Lösungen suchen, wie nach dem Bekanntwerden solcher Missbrauchsfälle rasch reagiert werden könne.
Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär sagte dem Abendblatt: „Deutschlands Eltern müssen erwarten können, dass alles unternommen wird, um Gewalt an Schülern in der Schule zu vermeiden.“ Politik könne das Problem aber nicht allein lösen. Wachsamkeit sei neben Sanktionen das Gebot der Stunde.