Auf 73 Prozent müsste die Einkommensteuer laut Finanzministerium steigen, um die Kopfpauschale finanzieren zu können. Die Union läuft Sturm.

Berlin. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will sie unbedingt. Sogar sein politisches Schicksal hat Rösler an die Kopfpauschale geknüpft. Ein gewagter Vorstoß angesichts des wachsenden Widerstands des Koalitionspartners, der CDU. Eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung zulasten des Steuerzahlers werde nicht ohne weiteres durchsetzbar sein, sagte Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) der „Süddeutschen Zeitung“. Es sei äußerst unwahrscheinlich, mittelfristig 20 Milliarden Euro für den bei einer Kopfpauschale benötigten Sozialausgleich zur Verfügung zu haben.

Der Sozialausgleich ist nötig, um Geringverdiener zu entlasten. Denn bei einem Kopfpauschalen-System zahlt jeder Krankenversicherte denselben Beitrag, egal wie viel er verdient. "Die Haushaltslage macht einen völligen Umstieg auf eine Gesundheitsprämie zumindest in dieser Legislaturperiode sicherlich nicht mehr möglich", sagte auch CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn der "Frankfurter Rundschau".

Nach Berechnungen des von Wolfgang Schäuble (CDU) geführten Finanzministeriums würde der von Rösler geplante Sozialausgleich erhebliche Steuererhöhungen nach sich ziehen, wenn er durch eine lineare Erhöhung der Einkommensteuer finanziert würde. Der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer müsste dann auf 73 Prozent steigen und ab einem Einkommen von 120.664 Euro gelten, heißt es in einem Antwortschreiben des Parlamentarischen Staatsseketrärs im Finanzministerium, Hartmut Koschyk (CSU), auf eine Anfrage der Grünen. Sollten 33 Milliarden Euro für den Sozialausgleich aufgewendet werden müssen, müsste der Spitzensteuersatz demnach sogar bei 100 Prozent ab 179.664 Euro liegen.

Die Liberalen warfen der Union daraufhin vor, überhöhte Zahlen zu verbreiten. In einem Interview mit der „Bild“-Zeitung bezifferte Rösler die Kosten auf weit unter zehn Milliarden Euro. „Alle Zahlen, die bisher genannt wurden, sind nicht einmal im Ansatz richtig. Bei unseren Plänen wird der Sozialausgleich deutlich unter zehn Milliarden Euro liegen“, sagte der FDP-Politiker. Rösler stellte zugleich klar, dass es keine Steuererhöhungen geben werde: „Die christlich-liberale Koalition wird ihre Gesundheitsreform ohne Steuererhöhungen vornehmen."

Diese „Steuererhöhungsphantasie ist völlig aus der Luft gegriffen“, erklärte auch die FDP-Fraktionsvize Ulrike Flach. Es werde fälschlicherweise davon ausgegangen, dass der gesamte Arbeitnehmerbeitrag in eine Prämie umgewandelt werden soll. Dies sei definitiv nicht geplant. „Mit diesem durchsichtigen Manöver wird versucht, die Menschen zu verunsichern“, erklärte Flach. Umso erstaunlicher sei es, dass der Finanzminister dem nicht entschieden entgegen getreten sei. Für den derzeitigen Steuerzuschuss für das Gesundheitswesen von rund 16 Milliarden seien auch keine Steuern erhöht worden. Konkrete Eckpunkte zur Höhe des sozialen Ausgleichs werde die Regierungskommission festlegen, die im März ihre Arbeit aufnehmen wird.