Ein Schattenhaushalt soll die Milliardenlöcher bei den Sozialversicherungen stopfen. Merkel warnte unterdessen vor steigender Arbeitslosigkeit.
Berlin. Die künftige schwarz-gelbe Koalition will mit einem Schattenhaushalt die erwarteten Milliardenlöcher bei den Sozialversicherungen stopfen. Über das Vorgehen bestehe „ziemlich große Einigkeit“ mit der FDP, sagte am Dienstag der CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter in Berlin. Mit einem „Sonderfonds“ solle insbesondere das Defizit der Bundesagentur für Arbeit (BA) von bis zu 50 Milliarden Euro gedeckt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte unterdessen vor einen rapiden Anstieg der Arbeitslosigkeit zu Beginn des nächsten Jahres.
Noch offen ist laut Kampeter, ob der Fonds über einen dritten Nachtragshaushalt 2009 bedient oder vollständig jenseits des Bundeshaushalts geführt werde – nach dem Vorbild des von der großen Koalition eingerichteten Sonderfonds für Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise. Über die Details sei noch keine Entscheidung getroffen. „Wichtig ist die Analogie der Signale“, sagte der CDU-Haushälter. „Wir haben erst den Unternehmen mit der Finanzmarktstabilisierung geholfen, und wir wollen jetzt der breiten Bevölkerung mit der Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme helfen.
Merkel sagte unterdessen voraus: „Es wird extrem ernste Monate geben.“ Bis März 2010 könne die Marke von 4,5 Millionen Arbeitslosen überschritten werden, warnte die Kanzlerin nach Angaben von Teilnehmern in einer Sitzung der Unions-Fraktion. Merkel mahnte zugleich: „Es darf jetzt keine unnötigen Provokationen der Gewerkschaften geben.“
Mit dem geplanten Schattenhaushalt würden Union und FDP einen Anstieg der Sozialbeiträge und damit der Lohnnebenkosten abwenden und so einem zusätzlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit vorbeugen. Nach Angaben des Sprechers der CSU-Landesgruppe, Jens Teschke, könnte der Sonderfonds zur Stabilisierung der Sozialversicherungen für das kommende Jahr insgesamt rund 24 Milliarden Euro umfassen, davon 20 Milliarden Euro für die Bundesagentur für Arbeit (BA).
Das Defizit im Gesundheitsfonds der Gesetzlichen Krankenversicherung bezifferte Merkel den Angaben zufolge auf 7,8 Milliarden Euro für 2010, davon 4,6 Milliarden Euro „krisenbedingt“. Dieser krisenbedingte Anteil würde ebenfalls vom Sonderfonds gedeckt.
In SPD und Linkspartei riefen die Pläne Empörung hervor. „Sollte es tatsächlich zu einem solchen Manöver kommen, hätte Schwarz-Gelb in der Haushaltspolitik bereits vor dem Start jede Glaubwürdigkeit verspielt“, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Nach noch nicht einmal drei Wochen Koalitionsverhandlungen seien Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle „da angelangt, wo Kohl und Waigel vor elf Jahren aufgeben mussten“: Steuergeschenke an Unternehmen und Besserverdienende würden auf Pump finanziert, die Schulden in Schattenhaushalten versteckt. Noch vor Monaten habe die in diesem Jahr im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse Union und FDP gar nicht streng genug sein können, jetzt werde sie „offenbar nur noch als Hindernis betrachtet“, kritisierte Poß.
Die Haushaltsexpertin der Links-Fraktion, Gesine Lötsch, sprach von einem „Steuerpoker mit gezinkten Karten“. Schon die große Koalition habe sich „darauf spezialisiert, mit Hilfe von Schattenhaushalten das Ausmaß der Verschuldung zu verschleiern“. Mit der Schaffung eines weiteren Schattenhaushalts führten CDU/CSU und FDP die Schuldenbremse ad absurdum.
Kampeter verteidigte das Vorhaben: Es gehe nicht um Verschleierung, sondern im Gegenteil um „Offenlegung“ und eine „Transparenz der Kosten der Finanzkrise auch für die sozialen Sicherungssysteme“.