Als die stellvertretende FDP-Vorsitzende Cornelia Pieper gestern Morgen meinte, die Steuersenkungen seien der “Knackpunkt“ in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP, hatte sich die Arbeitsgruppe Steuern und Finanzen noch gar nicht zusammengesetzt.
Berlin. Ein paar Stunden später waren die größten Hürden offenbar überwunden. "Wir prüfen derzeit intensiv, was geht und wie es geht, damit es eine gute inhaltliche Grundlage für die große Koalitionsrunde am Mittwoch gibt", sagte der FDP-Unterhändler Otto Fricke. Und sein Parteifreund Volker Wissing betonte: "Ein entscheidungsreifes Papier liegt auf dem Tisch."
Ob die kommende Bundesregierung zur Gegenfinanzierung von Steuersenkungen tatsächlich die von Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) ins Spiel gebrachten Umschichtungen bei der Bundesagentur für Arbeit erwägt, blieb offen. Ab morgen tagen nur noch die Parteivorsitzenden, am Freitag sollen die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sein. Zeit für eine Zwischenbilanz.
Gesundheit: Unklar ist noch, wie das drohende Defizit der gesetzlichen Krankenkassen von 7,5 Milliarden Euro 2010 ausgeglichen wird. FDP und Teile der CDU wollen den Einstieg in ein System mit pauschalen Beiträgen, das lehnt die CSU ab. Einig ist man sich, dass den gesetzlich Versicherten der Wechsel zur privaten Krankenversicherung erleichtert werden soll.
Inneres: Alle Themen der inneren Sicherheit sind abgehakt. Für Online-Durchsuchungen von Computern ist künftig die Genehmigung des Bundesgerichtshofs nötig. Die Methode bleibt dem Bundeskriminalamt vorbehalten. Telefon- und Internet-Verbindungsdaten werden weiter gespeichert, dürfen aber nur angesichts schwerer Gefahren genutzt werden. Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten sollen künftig gelöscht statt nur gesperrt werden. Kommerzielle Sterbehilfe wird unter Strafe gestellt.
Soziales: Weitgehend abgehakt. Das sogenannte Schonvermögen für Hartz-IV-Bezieher wird auf 750 Euro pro Lebensjahr verdreifacht. Mit ihrer Forderung nach Einführung eines Bürgergeldes, das Hartz IV ablösen soll, ist die FDP bei der Union auf taube Ohren gestoßen.
Arbeit: Lockerungen beim Kündigungsschutz und Einschnitte bei der Mitbestimmung wird es nicht geben. Ungeklärt ist, ob es wegen des wachsenden Schuldenbergs der Bundesagentur für Arbeit höhere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geben soll. Einig sind sich die künftigen Koalitionäre über ein gesetzliches Verbot "sittenwidriger" Löhne.
Familie: Hauptstreitpunkt ist das vor allem von der CSU verlangte Betreuungsgeld. Es soll Familien zustehen, die ihre bis zu dreijährigen Kinder nicht in eine Kita geben. Die FDP lehnt das Betreuungsgeld ab und plädiert stattdessen für ein Gutschein-Modell. Familien sollen steuerlich entlastet, das Kindergeld soll angehoben werden.
Bildung: Künftig muss jedes Kind bereits vor Schulbeginn Deutsch können. Vierjährige werden einem obligatorischen Sprachtest unterzogen. Außerdem geplant: ein Stipendiensystem für die leistungsstärksten Studenten.
Außen/Verteidigung: Die FDP verlangt die Abschaffung der Wehrpflicht, CDU und CSU halten sie für unverzichtbar.
Energie: Die Laufzeit sogenannter sicherer Atomkraftwerke soll über das Jahr 2022 hinaus verlängert, der Salzstock Gorleben als mögliches Endlager für Atommüll weiter erkundet werden.
Agrar/Verbraucherschutz: Die FDP besteht darauf, dass das Anbauverbot für Genmais gekippt wird, die CSU will, dass die Länder entscheiden können. Im Kampf gegen Internet-Abzocke soll ein Pflicht-Bestätigungsfeld für Verträge kommen.