Möglicherweise wird es mehr gezielte Angriffe in Pakistan geben. Außerdem sollen verstärkt Drohnen zum Einsatz kommen.
Washington. Die US-Regierung erwägt einen erneuten Kurswechsel ihrer Afghanistan-Strategie: Anstatt mehr Bodentruppen soll es möglicherweise verstärkt gezielte Anti-Terror-Angriffe im Nachbarland Pakistan geben. Zwei ranghohe Beamte des Weißen Hauses erklärten, dass im Kampf gegen Al Kaida und andere Extremisten verstärkt mit Raketen ausgestattete unbemannte Flugzeuge zum Einsatz kommen sollten. Sie wollten nicht namentlich genannt werden, weil die neue Strategie noch nicht offiziell beschlossen war.
Es wäre die zweite Strategieänderung seit Präsident Barack Obamas Amtsantritt im Januar. Mit einer Verstärkung der Drohnenangriffe in Pakistan, so hieß es am Montag in Washington, könnten die Aufständischen auf ein kleineres Gebiet zurückgedrängt und daran gehindert werden, ins benachbarte Afghanistan zu gelangen. Seit August 2008 gab es nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP mehr als 50 solcher Raketenangriffe auf Ziele in Pakistan. Geheimdienste vermuten in den weitgehend rechtsfreien pakistanischen Stammesgebieten zahlreiche Terroristen von Al Kaida oder den Taliban.
Die verstärkte Bombardierung von Zielen in Pakistan könnte jedoch das Verhältnis mit der Regierung in Islamabad schwer beeinträchtigen. Pakistan protestiert bislang offiziell gegen die Drohnenangriffe, scheint diese jedoch nach Meinung von Beobachtern mindestens zu tolerieren oder sogar mit Geheimdienstinformationen zu unterstützen.
Die Überlegungen eines Strategiewechsels kommen zeitgleich mit einem dramatischen Lagebericht des US-Kommandeurs in Afghanistan, General Stanley McChrystal. Dieser warnte vor einem Scheitern des internationalen Einsatzes, falls die Truppen nicht entscheidend verstärkt würden. Obama scheint jedoch zurückhaltend, über die von ihm bereits geplante Aufstockung hinaus weitere Truppen an den Hindukusch zu entsenden. Seine Berater erklärten, der Präsident habe noch weitere Fragen und wolle sich Zeit nehmen für eine Entscheidung zur künftigen Afghanistan-Strategie.
Großbritannien denkt indes eher an eine Truppenreduzierung in Afghanistan. Premierminister Gordon Brown erklärte am Dienstag, er hoffe, einige der Soldaten abziehen zu können, je mehr die afghanischen Streitkräfte selbst in der Lage seien, für Sicherheit zu sorgen. Auch Brown reagierte mit seinen Äußerungen in einem Interview des Fernsehsenders GMTV auf den Bericht McChrystals.
„Unsere große Herausforderung ist der Aufbau der afghanische Streitkräfte“, sagte Brown. Jetzt seien es schon 80.000 Mann, im nächsten Jahr sollten es 135.000 werden. Die Ausbildung der afghanischen Streitkräfte werde es Großbritannien erlauben, in dem Maße wie die Armee wachse die Zahl seiner Soldaten zu reduzieren.
Zuvor hatte allerdings die „Times“ noch berichtet, London erwäge auf McChrystals Anforderung hin die zusätzliche Entsendung von 1.000 Soldaten. Dazu sei noch keine Entscheidung gefallen, verlautete aus Browns Büro. Großbritannien hat derzeit rund 9.000 Soldaten vor allem in der umkämpften südlichen Provinz Helmand stationiert. Es ist das zweitgrößte ausländische Kontingent nach dem der USA.