Spitzen von Koalition und Opposition haben am Mittwoch Verhandlungen aufgenommen. SPD erwartet keine schnelle Einigung.
Berlin. Die Spitzen von Koalition und Opposition haben im Kanzleramt ihre Verhandlungen über den europäischen Fiskalpakt aufgenommen. Sie trafen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen, um über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und weitere kritische Punkte zu beraten. Mit einem Durchbruch wurde bei dem Gespräch der Partei- und Fraktionschefs noch nicht gerechnet. Am Abend hatten sich Fachpolitiker beider Seiten im Grundsatz über eine Erhöhung des Stammkapitals der Europäischen Investitionsbank verständigt, um Wachstumsimpulse in Krisenstaaten zu erreichen.
Vor den Verhandlungen über Fiskalpakt und Finanztransaktionssteuer erhöhten Regierung und Opposition den Druck. Politiker von Union und FDP mahnten SPD und Grüne unter Verweis auf Deutschlands Ansehen zum Einlenken, die Grünen forderten Ausgabenprogramme. Im linken SPD-Flügel formierte sich Widerstand gegen die Verhandlungslinie der Parteiführung – von dort kamen neue Forderungen an die Regierung.
Linksfraktionschef Gregor Gysi kritisiert die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition über den europäischen Fiskalpakt. Es gehe teilweise zu „wie auf dem Basar“, sagte er am Mittwoch in Berlin vor Beginn einer neuen Gesprächsrunde im Kanzleramt. Die Art der Debatte sei „abenteuerlich“. Gysi warf zudem der SPD vor, ihre Bedingungen für eine Zustimmung zum Fiskalpakt immer weiter aufzuweichen. Während Sozialdemokraten und Grüne dem Pakt unter bestimmten Umständen zustimmen wollen, lehnte die Linke ihn ab.
+++ Abstimmung in Deutschland noch vor der Sommerpause? +++
Die schwarz-gelbe Koalition will den Fiskalpakt noch vor der Sommerpause verabschieden. Weil dafür aber Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat nötig sind, braucht sie die Unterstützung der Opposition. Die Spitzen von SPD, Grünen und Linken sind um 11.00 Uhr ins Kanzleramt eingeladen, um mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Koalitionsvertretern zu verhandeln.
SPD erwartet keine schnelle Einigung
Im Streit über die Ratifizierung des EU-Fiskalpaktes rechnet die SPD nicht mit einer schnellen Einigung zwischen Koalition und Opposition. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte am Mittwoch unmittelbar vor demTreffen der Partei- und Fraktionschefs bei Kanzlerin Angela Merkel, er erwarte, dass die Verhandlungen erst kurz vor dem EU-Gipfel Ende des Monats abgeschlossen werden könnten. Auch ein Treffen von Merkel am Donnerstag mit den Ministerpräsidenten werde voraussichtlich noch keinen Durchbruch bringen, sagte er.
SPD und Grünen pochen als Bedingungen für ihre Zustimmung auf ein klares Bekenntnis der Regierung zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer mit anderen EU-Ländern und eine Wachstumsstrategie zur Ergänzung des Fiskalvertrages. Dieser soll für mehr Haushaltsdisziplin in der EU sorgen und muss Bundestag und -rat jeweils mit Zwei-Drittel-Mehrheit passieren.
Oppermann sagte, die Koalition wolle die Abstimmungen über den Fiskalpakt und den Vertrag über den permanenten Euro-Rettungsfonds ESM am 28. Juni auf die Tagesordnung des Bundestages setzen. Die SPD werde das ablehnen: „Wir werden der Aufsetzung erst zustimmen, wenn wir eine Einigung haben.“ Im Bundestag ist die Koalition auf die SPD angewiesen, im Bundesrat auch auf die von Ländern, die von den Grünen mitregiert werden.
Oppermann verteidigte die Forderung nach einer Besteuerung der Finanzmärkte. Hier gehe es nicht um vordergründiges politisches Geschacher, sondern um eine zentrale Frage der Gerechtigkeit, nämlich dass vier Jahre nach der Finanzkrise endlich die Verursacher besteuert würden. Für Kleinsparer werde es einen Freibetrag geben, sie würden von der Steuer nicht getroffen.
Die Schuldenkrise werde den Bundestag auch in der Sommerpause beschäftigen, die eigentlich in der zweiten Juli-Woche beginnt, sagte Oppermann. Er erwarte Sondersitzungen, weil etwa über den angekündigten Hilfsantrag Spaniens für seine Banken im Plenum abgestimmt werden müsse. Auch ein Hilfsantrag Zyperns an die Euro-Rettungsschirme stehe im Raum. „Wir haben einen kritischen Sommer vor uns“, sagte der SPD-Politiker.
mit Material von dapd und Reuters