Der mutmaßliche Kriegsverbrecher ist schon auf dem Weg nach Den Haag. Die Serben hoffen nun auf einen raschen Beitritt zur EU.
Belgrad/Brüssel. Kaum gefasst, schon ist er auf dem Weg zum Ankläger und den Richtern: Der wegen Kriegsverbrechen gesuchte frühere bosnische Serbengeneral Ratko Mladic ist wenige Stunden nach seiner Festnahme bereits mit einem Flugzeug auf den Weg nach Den Haag gebracht worden. Das berichtete das serbische Staatsfernsehen. In Den Haag sollte er den Vertretern des Uno-Kriegsverbrechertribunals übergeben werden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat die Festnahme des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Mladic als „sehr gute Nachricht für die Gerechtigkeit in Europa“ bezeichnet. Serbien löse damit eine „langjährige Forderung der EU“ ein, sagte Westerwelle. Er erinnerte an die Opfer des Massakers von Srebrenica und deren Angehörige. „Einer ihrer mutmaßlich schlimmsten Peiniger kann jetzt zur Verantwortung gezogen werden.“
Zur Frage, warum die Suche nach Mladic 16 Jahre gedauert habe, sagte Westerwelle, er wolle darüber nicht spekulieren. Die Aufarbeitung des Unrechts der Balkankriege sei „zwingende Voraussetzung“ für die Versöhnung in der Region. Westerwelle sagte zu den Bemühungen Serbiens um einen EU-Beitritt, die Bundesregierung sehe für das Land „eine ganz klare europäische Perspektive“. Serbien müsse aber alle Bedingungen dafür einhalten. Dazu zählten die Zusammenarbeit mit der internationalen Justiz und gute Beziehungen zu den Nachbarstaaten.
Der serbische Präsident Boris Tadic hatte die Festnahme Mladics bestätigt. Der Militärführer der bosnischen Serben im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina von 1992 bis 1995 soll maßgeblich am Massaker von Srebrenica beteiligt gewesen sein, bei dem 1995 etwa 8000 muslimische Männer und Jungen getötet wurden. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy sagte, die Festnahme sei „eine weitere Etappe Serbiens zur Integration in die EU“. Sarkozy äußerte sich am Rande des G-8-Gipfels in Deauville sehr erfreut über die Verhaftung.
Als die ersten Fahrzeuge des Geheimdienstes und der Spezialpolizei um 6 Uhr früh im Dorf Lazarevo bei Zrenjanin auftauchten, war selbst der Bürgermeister überrascht. Auch der von seinen Landsleuten immer noch hoch geschätzte und seit Jahren als Kriegsverbrecher gesuchte Mladic war offenbar ahnungslos und suchte hinter seiner falschen Identität als Milorad Komadic Schutz. In einem unscheinbaren bäuerlichen Anwesen in der Provinz wurde der militärische Star der Serben aus den 90er-Jahren ohne große Zwischenfälle festgenommen. Er hatte bei einem Verwandten Unterschlupf gefunden. Dem geht es wirtschaftlich offensichtlich nicht so prächtig, worauf das rostige Eingangstor zum bescheidenen Hof hinweist. Die immer befürchtete Schießerei der Leibgarde um Mladic und das von ihm angedrohte Blutbad gab es nicht.
Die serbischen Medien waren völlig unvorbereitet. Die erste Meldung kam von einer Zeitung im Nachbarland Kroatien. Staatschef Boris Tadic beeilte sich bei der Veröffentlichung der sensationellen Nachricht, gleich als Gegenleistung die EU-Kandidatur seines Landes einzufordern. „Jetzt ist ein Kapitel in unserer unglücklichen Geschichte abgeschlossen“, sagte Tadic. (dpa/rtr/dapd)