Bundeskanzlerin Angela Merkel will internationale Stresstests für Atomkraftwerke. Steinmeier kritisiert ihre “Leidenschaftslosigkeit“.
Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für eine „kritische Überprüfung“ aller bestehenden und geplanten kerntechnischen Anlagen weltweit ausgesprochen. Beim G8-Gipfel an diesem Donnerstag in Deauville (Frankreich) werde sie sich im Kreise der größten Industriestaaten für höchste Sicherheitsstandards einsetzen, sagte Merkel in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Die internationalen Stresstests für Atomkraftwerke seien nicht nur in der EU und in Deutschland nötig. „Die nukleare Bedrohung im japanischen Fukushima hält unverändert an.“ Nationale Antworten reichten deshalb nicht. „Nötig ist eine kritische Überprüfung der bestehenden und in Planung befindlichen Anlagen weltweit.“ Sie werde sich im Rahmen der G8 für „höchste Standards“ einsetzen.
Zu den bevorstehenden Entscheidungen über den Atomausstieg in Deutschland sagte die Kanzlerin noch nichts. Sie verwies abermals auf die für den 30. Mai erwarteten Ergebnisse der Energie-Ethikkommission. „Wenige Tage später werden wir die notwendigen Entscheidungen im Bundestag und Bundesrat treffen“, fügte sie hinzu. Im Zusammenhang mit der Energiewende bekräftigte die Kanzlerin die deutschen Klimaziele und die Vorreiterrolle der Bundesrepublik international. „Wir gehen voran, damit andere unserem Beispiel folgen“, sagte Merkel. Die internationalen Klimaverhandlungen hätten nach dem Gipfel von Cancun Ende 2010 neue Dynamik gewonnen, doch sei der Fortschritt immer noch eine Schnecke. Nötig sei ein viel konsequenteres Handeln als jetzt. Ziel der Bundesregierung bleibe ein neues umfassendes internationales Uno-Klimaabkommen.
Außerdem äußerte sich Merkel zur „historischen Verpflichtung“ Europas, die Demokratiebewegungen in Nordafrika zu unterstützen. „Die Veränderungen haben eine Dimension, die auch nachfolgende Generationen als Zeitenwende bewerten werden“, sagte Merkel. Nötig sei eine neue Partnerschaft für Demokratie und politische Entwicklung. Ausdrücklich stellte sich die Kanzlerin dabei an die Seite von US-Präsident Barack Obama, der vergangene Woche gefordert hatte, den demokratischen Umbruch in der Region zu unterstützen. Zudem lobte Merkel die Bemühungen einer neuen Resolution des Uno-Sicherheitsrates gegen die Gewalt in Syrien. Diese werde von Deutschland, den USA, Frankreich und Großbritannien gemeinsam vorbereitet. „Wir sollten alles daran setzen, die Gewalt dort zu verurteilen.“
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hatte für Merkel derben Spott übrig: „Niemand hat Sie gezwungen, hier heute Morgen 'ne Regierungserklärung abzugeben. Aber ich finde, wenn Sie eine abgeben, hat das Parlament mehr verdient als diesen leidenschaftslosen Rechenschaftsbericht.“
Steinmeier wirft der Regierung „Außenpolitik in Lethargie“ vor. Deutschland fehlten eigene Antworten auf den Umbruch in Nordafrika und den „Sturm“ im Nahen Osten, kritisierte er. Damit sei die Bundesrepublik weltweit und in Europa in die Peripherie geraten. Auch zum Gipfel in Deauville fahre Merkel ohne außenpolitischen Gestaltungsanspruch und ohne substanziellen Beitrag. Steinmeier führte als Beispiele an, dass Deutschland keinen eigenen Kandidaten für die Nachfolge von IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn präsentiert habe und auch US-Präsident Barack Obama nicht zu einem Abstecher nach Deutschland habe bewegen können. (dapd/rtr/dpa)