Das angebliche Opfer des IWF-Chefs Strauss-Kahn soll offenbar in einem Heim für Aids-Kranke wohnen. Franzosen glauben an Komplott.

New York/Paris. Im Fall Dominique Strauss-Kahn hat das mutmaßliche Opfer des IWF-Chefs überraschend bereits vor der Grand Jury ausgesagt. Der Fernsehsender "CNN" berichtete, dass die 32-Jährige abgeschirmt von Schaulustigen am Mittwoch in New York vernommen wurde. Die Grand Jury hat letztlich zu entscheiden, ob es zu einem Prozess gegen den Franzosen kommt. Über die Aussage vor der Kammer wurde zunächst nichts bekannt. Die verwitwete Frau ist eine Einwanderin aus dem westafrikanischen Guinea und hat eine Tochter.

Das Zimmermädchen lebt einem Bericht der "New York Post“ in einem Haus für Aids-Kranke. Die Zeitung vermeldet, dass die Frau seit Januar in dem vierstöckigen Haus im Stadtteil Bronx wohne, das ausschließlich an Menschen mit HIV/Aids vermietet werde.

Zuvor habe die Frau ebenfalls in einem Haus gelebt, dessen Wohnungen von einer Unterstützerorganisation "streng nur an Aids-Kranke“ vermietet würden.

Es sei jedoch unklar, ob die 32-Jährige wirklich infiziert sei, da die ärztlichen Akten vertraulich sind. Die Regeln der Organisation sehen aber vor, dass mindestens ein Erwachsener in der Wohnung HIV-positiv sein müsse, damit das Apartment vermietet werden könne. Die Witwe lebe mit ihrer Tochter allein in der Wohnung.

Unterdessen hat die Opposition in Frankreich laut einer Umfrage, trotz der Festnahme von IWF-Chef Strauss-Kahn, weiterhin gute Chancen den Sieg bei den Präsidentschaftswahlen davonzutragen. Den Ergebnissen des Instituts CSA nach, erklären 54 Prozent der Befragten, dass die Sozialisten auch ohne ihren populären Kandidaten, im kommenden Jahr die Wahl gewinne könnten. Unter den Sozialisten trauten ihrer Partei 70 Prozent den Sieg zu. 57 Prozent der Befragten halten es zudem für möglich, dass Strauss-Kahn Opfer eines Komplotts seiner politischen Gegner geworden ist.

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Es ist die erste Umfrage, die nach Bekanntwerden des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung gegen Strauss-Kahn erhoben wurde. Neuer Hoffnungsträger der Sozialisten ist demnach Francois Hollande, der zehn Punkte vor der Parteivorsitzenden Martine Aubry liegt. In der ersten Runde der Präsidentenwahl würden der Umfrage zufolge beide auf 23 Prozent kommen, wobei Hollande einen Punkt vor Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und Aubry gleichauf mit ihm liegen würde. Die Parteivorsitzende des rechtsnationalen Front National, Marine Le Pen, käme demnach auf 20 Prozent und würde damit den Einzug in die Stichwahl verpassen. Nach Strauss-Kahn wurde in der am Montag unter 1007 vorgenommenen Erhebung nicht mehr gefragt.

Strauss-Kahn galt als aussichtsreichster Kandidat der Sozialisten bei der Präsidentenwahl. Der 62-jährige Franzose war am Sonnabend im New York festgenommen worden. Er soll versucht haben, in einem Hotel ein Zimmermädchen zu vergewaltigen, was er bestreitet. Nachdem ein Gericht in Manhattan eine Kaution ablehnte, wurde er zur Untersuchungshaft ins berüchtigte New Yorker Gefängnis Rikers Island verlegt. Am Freitag ist ein Haftprüfungstermin.

Die USA als wichtigstes Geberland des Internationalen Währungsfonds sind vom verhafteten IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn abgerückt. US-Finanzminister Timothy Geithner forderte eine Übergangslösung für die IWF-Führung. Strauss-Kahn sei „offensichtlich nicht in der Lage“, den IWF zu lenken, sagte Geithner in New York. „Es ist wichtig, dass der Verwaltungsrat formell jemanden für eine Übergangszeit einsetzt, der als geschäftsführender Direktor agieren kann“, zitierte das „Wall Street Journal“ den Politiker.

Geithner sagte zudem, er sei zuversichtlich, dass der IWF trotz der gegenwärtigen Herausforderung seine Rolle in der Finanzwelt spielen werde. „Da passiert gerade eine Menge in der Welt, und da möchte man, dass der Währungsfonds hilfreich ist“, sagte Geithner. „Ich bin aber überzeugt, dass er dazu in der Lage sein wird.“ Der IWF hatte zuvor Strauss-Kahns Stellvertreter John Lipsky mit der Führung der Geschäfte beauftragt.

Strauss-Kahn ist wegen sechs Straftaten angeklagt. Er soll am Sonnabend ein Zimmermädchen in einem New Yorker Hotel überfallen und bedrängt haben. Dafür drohen ihm 25 Jahre Haft. Derzeit sitzt er auf einer Gefängnisinsel in New York ein.

Unterdessen ist die Nachfolgedebatte in vollem Gang: Zu den Namen, die für den IWF-Chefposten genannt werden, gehören Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde und der britische Ex-Premier Gordon Brown. Als mögliche deutsche Kandidaten im Gespräch sind Thomas Mirow, der Chef der in London ansässigen Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, sowie der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Politiker der Koalitionsfraktionen Union und FDP sprachen sich ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für einen Europäer auf dem IWF-Chefsessel aus.

Bisher besetzen die Europäer den IWF-Chefposten mit Sitz in Washington. Im Gegenzug steht bislang stets ein Amerikaner an der Spitze der Weltbank. Inzwischen haben aber aufstrebende Volkswirtschaften wie China, Indien und Brasilien mehr Einfluss beim IWF und wollen künftig auch Führungspositionen besetzen.

Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega sprach sich dafür aus, dass Kandidaten aus Entwicklungs- und Schwellenländern diesmal durchaus in Betracht kommen müssten. Zu den kursierenden Namen aus aufstrebenden Schwellenländern gehören der türkische Ex-Minister Kemal Dervis, Südafrikas Ex-Finanzminister Trevor Manuel sowie der mexikanische Zentralbank-Governeur Agustín Carstens.

Der IWF ist in der weltweiten Finanzkrise zu einem der wichtigsten Krisenhelfer aufgestiegen. Gerade in der Bewältigung der Euro-Schuldenkrise spielt der IWF eine wichtige Rolle. Zusammen mit den Europäern schnürte der Währungsfonds Milliarden-Rettungspakete für die Schuldensünder Griechenland, Irland und Portugal. (dpa/abendblatt.de)

Diese Kandidaten werden als mögliche Nachfolger von Strauss-Kahn gehandelt

Dominique Strauss-Kahn ist noch nicht einmal angeklagt, da hat schon die Debatte um seine Nachfolge als Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) begonnen. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen der Schuldenkrise auch künftig gern einen Europäer auf dem Chefsessel der mächtigen Finanzinstitution sehen will, fordert China eine Auswahl auf Basis von „Fairness, Transparenz und Leistung“. Nachfolgend einige Namen, die als Anwärter auf den Posten gehandelt werden:

CHRISTINE LAGARDE (FRANKREICH)

Falls die Europäer erneut zum Zuge kommen sollten, wäre die französische Finanzministerin wohl erste Wahl. Die 55-Jährige hat sich in der Finanzkrise durch ihr souveränes Auftreten im Kreis der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) großes Ansehen erworben. „Die Financial Times“ verlieh der fließend Englisch sprechenden Politikerin 2009 sogar den Titel der besten Finanzministerin Europas. Gegen sie spricht jedoch ihre Nationalität. Denn Frankreich hatte den IWF-Chefposten in den zurückliegenden 33 Jahren insgesamt 26 Jahre lang inne. Staatschef Nicolas Sarkozy dürfte seine Star-Ministerin zudem im heraufziehenden Präsidentschaftswahlkampf nur ungern ziehen lassen.

KEMAL DERVIS (TÜRKEI)

Er gilt als aussichtsreicher Kandidat für den Fall, dass kein Europäer den Job bekommt. Dervis ist einer der Väter des Aufstiegs der Türkei, die 2001 eine schwere Finanzkrise durchmachte und durch Reformen sowie eine milliardenschwere Finanzspritze des IWF die Wende schaffte. Er ging 1978 zur Weltbank, deren Vizechef er 1996 wurde. Er kehrte 2001 als Wirtschaftsminister in sein Heimatland zurück, das zu dieser Zeit unter Bankenpleiten, steigender Inflation und einer massiven Währungsabwertung litt. Derzeit ist der 62-Jährige Vizepräsident der Washingtoner Denkfabrik Brookings Institution.

TREVOR MANUEL (SÜDAFRIKA)

Der 55-Jährige ist in Finanzkreisen sehr anerkannt. Von 1996 bis 2009 war er Finanzminister in Südafrika, wo er in den 80er Jahren vom Apartheid-Regime wegen seiner politischen Aktivitäten verfolgt und inhaftiert worden war. Als Chef der Nationalen Planungskommission hat er noch immer großen Einfluss auf die Geschicke seines Heimatlandes, das zu den am schnellsten wachsenden Schwellenländern gehört.

PEER STEINBRÜCK (DEUTSCHLAND)

Der frühere Finanzminister genießt hohes Ansehen aufgrund seiner fachlichen Eignung – national wie international. Während der Finanzkrise legte er zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel die Basis dafür, dass Deutschland relativ gut aus der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs herausfand. Zwei Dinge aber sprechen gegen Steinbrück (64): Als Sozialdemokrat dürfte er in den Regierungsfraktionen CDU, CSU und FDP kaum durchsetzbar sein. Zudem hat er sich während seiner Ministerzeit mit vielen Politikern aus anderen Ländern angelegt - vor allem mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

AXEL WEBER (DEUTSCHLAND)

Bis Ende April diente er noch als Bundesbankchef. Lange Zeit galt der Pfälzer als Favorit für den Chefposten der Europäischen Zentralbank, ehe er sich wegen des umstrittenen Kaufs von Staatsanleihen von Euro-Krisenländern mit Präsident Jean-Claude Trichet überwarf. der 54-Jährige ist als Ökonom und Notenbanker weltweit anerkannt, genießt aber nicht gerade den Ruf eines Diplomaten. Er will im kommenden Jahr an der University of Chicago lehren, gilt aber auch als ein Kandidat für die Nachfolge von Josef Ackermann als Chef der Deutschen Bank.

AGUSTIN CARSTENS (MEXIKO)

Der 52-Jährige ist seit Anfang 2010 Chef der mexikanischen Notenbank, der er zuvor als Chefvolkswirt diente. Unter seiner Führung wurde die Unabhängigkeit der Zentralbank in Frage gestellt, nachdem Carstens den Finanzminister zur Teilnahme an den geldpolitischen Entscheidungen eingeladen und eine enge Zusammenarbeit mit der Regierung zugesagt hatte. Von 2003 bis 2006 war er Vizechef des IWF.

MONTEK SINGH AHLUWLIA (INDIEN)

Der einflussreiche Wirtschaftsberater von Premierminister Manmohan Singh gehört zu den Befürwortern offener Märkte. Er sorgte dafür, dass die Preiskontrollen für Benzin und Diesel beendet wurden. Seine Karriere begann der 67-Jährige bei der Weltbank und arbeitete später für den IWF. Gegen ihn spricht sein Alter.

STANLEY FISCHER (USA/ISRAEL)

Fischer kennt den IWF in- und auswendig. Er diente ihm von 1994 bis 2001 als Vizechef. Der 67-Jährige ist ein weltweit anerkannter Ökonom, der am renommierten Massachusetts Institute of Technology lehrte – zu seinen Studenten gehörte der jetzige US-Notenbankchef Ben Bernanke. Seit 2005 ist er Chef der Nationalbank von Israel.

THOMAS MIROW (DEUTSCHLAND)

Der 59-Jährige gehört zu den wenigen Deutschen, die eine wichtige internationale Institution leiten. Er ist seit zwei Jahren Chef der in London anässigen Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Der Sozialdemokrat war zuvor unter anderem Büroleiter des Parteivorsitzenden Willy Brandt. Zuletzt diente er Peer Steinbrück von 2005 bis 2008 als Finanzstaatssekretär.

MOHAMED EL-ERIAN (USA/ÄGYPTEN/FRANKREICH)

Der 52-Jährige ist Chef des weltgrößten Anleihe-Investors Pimco. 15 Jahre lange arbeitete er für den IWF, bevor er in den neunziger Jahren zur US-Bank Salomon Smith Barney/Citigroup stieß. 2008 veröffentlichte er den Bestseller „Märkte im Umbruch“. El-Erian wurde in New York als Sohn einer französischen Mutter und eines ägyptischen Diplomaten geboren.

GORDON BROWN (GROSSBRITANNIEN)

Lange wurde der ehemalige britische Premier- und Finanzminister als aussichtsreicher Kandidat für den IWF-Chefposten gehandelt. Doch sein konservativer Nachfolger in Downing Street 10, David Cameron, hat diesen Blütenträumen ein jähes Ende gesetzt und den Labourpolitiker offen als ungeeignet bezeichnet. Zugleich deutete Cameron an, dass es nun an der Zeit sein könnte, dass ein Schwellenland wie China oder Indien den IWF-Chef stellen wird.

(abendblatt.de/dpa/reuters)