Alexander Graf Lambsdorff will für den Vorsitz der FDP im Europaparlament kandidieren. Silvana Koch-Mehrin war von allen Ämtern zurückgetreten.

Berlin. Die unter Plagiatsverdacht stehende FDP-Spitzenpolitikerin Silvana Koch-Mehrin ist von nahezu allen politischen Ämtern zurückgetreten. Darunter auch der Vorsitz der FDP-Delegation im Europaparlament. Diesen Posten möchte nun der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff übernehmen, er gabe jetzt seine Kandidatur bekannt. „Ich habe meine Kollegen darüber informiert, dass ich mich um die Nachfolge bewerben werde“, sagte Lambsdorff am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk.

Koch-Mehrin teilte am Mittwochabend in einer schriftlichen Erklärung sowie einem Sprecher in Brüssel mit, sie wolle mit dem Rücktritt verhindern, dass ihre gesamte Familie durch die öffentliche Diskussion weiter belastet werde. Die FDP-Politikerin legte sowohl ihr Amt als Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament, als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und als Präsidiumsmitglied der FDP nieder. Nach Angaben ihres Pressesprechers will die 40-Jährige aber Abgeordnete im Europäischen Parlament bleiben. "Frau Koch-Mehrin behält ihre Funktion als Abgeordnete im Europaparlament“, sagte Sprecher Georg Streiter am Mittwoch in Brüssel.

Die Universität Heidelberg prüft derzeit Vorwürfe, Koch-Mehrin habe in ihrer Dissertation abgeschrieben. In Heidelberg hatte die 40-Jährige 1999 eine wirtschaftshistorische Dissertation zur lateinischen Münzunion eingereicht. "Dort wird sie jetzt überprüft. Ich möchte, dass diese Prüfung nun vertraulich, fair, nach rechtsstaatlichen Maßstäben und ohne Ansehen der Person durchgeführt und nicht dadurch belastet wird, dass ich herausgehobene Ämter innehabe“, erklärte Koch-Mehrin.

Zuletzt hatten Medien berichtet, Koch-Mehrin solle der Doktortitel wegen Abschreibens aberkannt werden. Der "Tagesspiegel" berichtete, die Heidelberger Uni habe ein Entziehungsverfahren eingeleitet. Eine Sprecherin der Universität erklärte, der Promotionsausschuss prüfe die Angelegenheit noch. Koch-Mehrin sei eine Frist für eine Stellungnahme gesetzt worden. Die Universität gehe davon aus, dass die Prüfung Ende Mai oder Anfang Juni abgeschlossen sein werde. Laut "Tagesspiegel" finden sich in der Arbeit mehrere nicht gekennzeichnete Texte fremder Autoren.

Auf die Frage, warum Koch-Mehrin ausgerechnet jetzt ihre Ämter aufgebe, sagte ihr Sprecher Streiter: "Sie ist verärgert, darüber dass Einzelheiten aus dem laufenden Prüfungsverfahren an der Universität Heidelberg an die Öffentlichkeit gelangten, bevor es abgeschlossen wird.“

Streiter geht nicht davon aus, dass die 40-Jährige am FDP-Bundesparteitag am Wochenende in Rostock teilnehmen wird. Mit ihrem Rücktritt sei ihre Mitgliedschaft im Vorstand und Präsidium der Partei entfallen. Er vermute, dass sie sich dort nicht als Gast anmelden werde.

Die einstige liberale Hoffnungsträgerin ist der zweite Spitzenpolitiker, der über seinen Doktorhut stolpert. Am Mittwoch hatte die Universität Bayreuth ausführlich begründet, warum sie Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg den akademischen Titel entzogen hatte. Die Untersuchungskommission wirft dem Ex-CSU-Politiker in ihrem Bericht vor, vorsätzlich getäuscht zu haben.

Am Mittwoch wurde außerdem bekannt, dass Veronica Saß , Tochter von Bayern Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), wegen Abschreibens vom Promotionsausschuss der Universität Konstanz der Doktorgrad aberkannt wurde.

Die Erklärung von Silvana Koch-Mehrin im Wortlaut:

"Mit sofortiger Wirkung lege ich mein Amt als Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament nieder. In Folge dessen bin ich auch ab sofort nicht mehr Mitglied des Präsidiums der FDP. Ich hoffe, dadurch meiner Partei den Neuanfang mit einem neuen Führungsteam zu erleichtern.

Mit sofortiger Wirkung trete ich auch von dem Amt der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments zurück, um nicht in führender Position ein Ziel für Angriffe auf die einzige demokratisch legitimierte Institution der Europäischen Union zu bieten.

Ich möchte mit diesem Schritt auch verhindern, dass meine gesamte Familie durch die öffentliche Diskussion weiter belastet wird.

Was meine Dissertation betrifft: an der Universität Heidelberg habe ich die Arbeit 1999 eingereicht, und dort wird sie jetzt überprüft. Ich möchte, dass diese Prüfung nun vertraulich, fair, nach rechtsstaatlichen Maßstäben und ohne Ansehen der Person durchgeführt und nicht dadurch belastet wird, dass ich herausgehobene Ämter innehabe.“

(rtr/dapd/dpa/abendblatt.de)