Sie war das FDP-Gesicht Europas: Silvana Koch Mehrin. Zermürbt von Plagiatsvorwürfen trat die 40-Jährige am Mittwoch von fast allen ihren politischen Ämtern zurück.

Berlin. Sie galt als das Gesicht der FDP in Brüssel. Bei Europawahlen war Silvana Koch-Mehrin das Zugpferd der Liberalen und führte sie nach langer Abstinenz wieder ins Europaparlament.

Koch-Mehrin lächelte nicht nur bundesweit von Wahlplakaten. Die telegene Politikerin zog es auch oft in Talkshows. Doch obwohl sie der Öffentlichkeit sehr zugetan war, hatte die Vizepräsidentin des Europaparlaments in den vergangenen Wochen beharrlich geschwiegen: Zu den Vorwürfen, sie habe in ihrer Doktorarbeit gezielt abgeschrieben, kam der 40-Jährigen kein Wort über die Lippen. Zum Schluss war der Druck für Koch-Mehrin dann wohl doch zu groß. Am Mittwochabend trat sie zurück.

Entdeckt und gefördert wurde die Diplomatentochter vom scheidenden FDP-Chef Guido Westerwelle. 2004 hatte es die FDP ihrer Spitzenkandidatin Koch-Mehrin zu verdanken, dass sie nach zehn Jahren Abwesenheit wieder ins Europaparlament einziehen konnte. 2009 wiederholte sich der Wahlerfolg. Koch-Mehrin war Mitglied des Petitionsausschusses und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie.

Die Wirtschaftshistorikerin trat stets für die Demokratisierung der EU ein. Ihre Doktorarbeit, über die sie nun stürzte, befasste sich mit dem Thema "Die historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik. Die Lateinische Münzunion 1865-1927“ .

Die dreifache Mutter, die mit einem Iren verheiratet ist, warb stets für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und sie schreckte auch nicht vor außergewöhnlichen PR-Auftritten zurück – so hatte sie sich von einer Illustrierten hochschwanger mit nacktem Bauch ablichten lassen.

Die Erklärung von Koch-Mehrin im Wortlaut:

"Mit sofortiger Wirkung lege ich mein Amt als Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament nieder. In Folge dessen bin ich auch ab sofort nicht mehr Mitglied des Präsidiums der FDP. Ich hoffe, dadurch meiner Partei den Neuanfang mit einem neuen Führungsteam zu erleichtern.

Mit sofortiger Wirkung trete ich auch von dem Amt der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments zurück, um nicht in führender Position ein Ziel für Angriffe auf die einzige demokratisch legitimierte Institution der Europäischen Union zu bieten.

Ich möchte mit diesem Schritt auch verhindern, dass meine gesamte Familie durch die öffentliche Diskussion weiter belastet wird.

Was meine Dissertation betrifft: an der Universität Heidelberg habe ich die Arbeit 1999 eingereicht, und dort wird sie jetzt überprüft. Ich möchte, dass diese Prüfung nun vertraulich, fair, nach rechtsstaatlichen Maßstäben und ohne Ansehen der Person durchgeführt und nicht dadurch belastet wird, dass ich herausgehobene Ämter innehabe.“

(rtr/dapd/dpa/abendblatt.de)