Erstmals marschierten während der Zeremonie neben 10.000 russischen auch Soldaten aus vier NATO-Staaten auf.
Moskau. 65 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat Russland mit einer großen Militärparade im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel den Sieg über Hitler-Deutschland gefeiert. 1945 sei der Nazismus besiegt worden, „die Vernichtung ganzer Völker wurde beendet“, sagte der russische Präsident Dmitri Medwedew am Sonntag bei der Parade auf dem Roten Platz in Moskau. Die Teilnahme Merkels galt als Versöhnungsgeste der russischen Führung.
Die Kanzlerin, die neben dem russischen Regierungschef Wladimir Putin die Siegesfeier mit dem Defilee von mehr als 10.000 Soldaten und schwerem militärischem Gerät verfolgte, sprach von einer großen Ehre. Auch die Ukraine, Weißrussland sowie weitere frühere Sowjetrepubliken begingen den 9. Mai als nationalen Feiertag. „Dieser Krieg hat uns zu einer starken Nation gemacht“, sagte Medwedew während der 72-minütigen Zeremonie. Über den Roten Platz rollten auch Panzer sowie Transporter mit den mit Atomsprengköpfen bestückbaren Interkontinentalraketen vom Typ Topol-M. Erstmals nahmen an der Waffenschau im Machtzentrum Russlands auch mehr als 200 Vertreter der Streitkräfte der NATO-Mächte Großbritannien, Frankreich und USA teil. Bei strahlendem Sonnenschein musizierten internationale Militärkapellen. Am Ende erklang die Ode „An die Freude“ von Ludwig van Beethoven – als Zeichen für die Versöhnung der Völker.
Medwedew erinnerte in seiner kurzen Rede vor tausenden Kriegsveteranen daran, dass der Frieden in der Welt weiter brüchig sei. „Nur gemeinsam können wir den aktuellen Bedrohungen etwas entgegensetzen. Nur auf Grundlage einer guten Nachbarschaft können wir die Probleme der weltweiten Sicherheit lösen“, betonte der Kremlchef. Unter den Gästen waren neben Merkel unter anderem der israelische Präsident Schimon Peres, der tschechische Staatschef Vaclav Klaus sowie der polnische Interimspräsident Bronislaw Komorowski sowie der chinesische Staats- und Parteichef Hu Jintao. Auch zahlreiche Präsidenten der autoritär regierten früheren Sowjetrepubliken folgten Medwedews Einladung nach Moskau.
Die Waffenschau am Kreml gilt als die größte Parade, die Moskau je gesehen hat. Russland hatte die Siegesfeiern im sowjetischen Stil mit Panzern und schwerem Kriegsgerät 2008 wieder aufgenommen. Mit etwa 27 Millionen Opfern hat die damalige Sowjetunion im „Großen Vaterländischen Krieg“ von 1941-1945 so schwere Verluste erlitten wie kein anderes Land. „Die Sowjetunion wurde von den Faschisten am härtesten getroffen“, sagte Medwedew, der erneut davor warnte, das Verdienst der Roten Armee an der Befreiung vom Hitlerfaschismus in Zweifel zu ziehen. Jagdflugzeuge vom Typ Suchoi düsten in der Formation einer „65“ über den Kreml hinweg. Die Parade war nicht zuletzt eine Nabelschau des russischen Militärs, das derzeit die tiefgreifendste Reform seiner Geschichte durchmacht.
Im Anschluss an die Siegesfeier legte Merkel am Ewigen Feuer des Grabmals des Unbekannten Soldaten an der Kremlmauer rote Rosen nieder. Es sei nicht selbstverständlich, dass ein deutscher Regierungschef an diesem Ereignis teilnehmen dürfe, hatte die Politikerin vor ihrer Anreise in einem Interview mit der Agentur Itar-Tass gesagt. Die Geste zeige, dass Russland und Deutschland nun in Frieden und Freundschaft lebten. Vor fünf Jahren hatte Gerhard Schröder als erster Kanzler der traditionellen Parade beigewohnt. Merkel dankte den Alliierten für ihre Opfer im Kampf gegen Nazi- Deutschland. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten hätten Deutschland befreit und den Zweiten Weltkrieg beendet, sagte die Kanzlerin. Die Deutschen würden die Befreier nie vergessen. Merkel hatte ihre Reise trotz der EU-Verhandlungen zur Finanzkrise in Griechenland im Gegensatz etwa zu Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy nicht abgesagt.
In Moskau waren nach Angaben von Medien etwa 2,5 Millionen Menschen auf den Beinen, um den Tag des Sieges zu feiern. Aus Angst vor Anschlägen waren zehntausende Sicherheitskräfte im Einsatz. Auch in zahlreichen weiteren Städten des Riesenreichs gab es Siegesfeiern.