Hamburg. Adler spricht im Podcast “HSV – wir müssen reden“ über seine Karriere nach der Karriere als Student und Vater.
Es ist 11.40 Uhr, als René Adler anruft. Da seine Frau Lilly den Wagen genommen habe, müsse er jetzt seinen uralten Porsche, Baujahr 1971, aktivieren und wisse nicht, ob der rechtzeitig anspringt. Er würde also möglicherweise erst kurz nach 12 Uhr zum verabredeten HSV-Podcast "Wir müssen reden" im Studio in der Abendblatt-Redaktion sein. „’Tschuldigung, das ist gar nicht meine Art“, sagt Adler, der 19 Minuten später um 11.59 Uhr in die Tiefgarage am Großen Burstah einbiegt. Eine Minute zu früh. „Na dann“, sagt Adler, „wir haben ja viel zu bereden.“
Ein gutes Jahr ist es nun schon her, dass René Adler nach 16 Spielzeiten in der Bundesliga seine Profikarriere beendet hat. 269 Bundesligaspiele für Leverkusen, den HSV und Mainz 05 und zwölf Länderspiele sind Statistiken, die man nun bei Wikipedia nachlesen kann.
René Adler: "Als Spieler war ich kein Fan von Trainingslagern"
„Ich habe oft gezweifelt: am Business, an mir, an meinem Körper. Aber unter dem Strich bin ich dankbar, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte“, sagt Adler, dessen Profialltag auch ganz andere Zahlen bestimmte: 32 Trainingslager und elf Operationen zum Beispiel. „Als Spieler war ich kein Fan von Trainingslagern“, sagt der frühere Torhüter kurz vor der Abreise des HSV nach Österreich. Aber: „Jetzt, mit Kind, wäre ich wahrscheinlich froh über jede Nacht, die ich mal durchschlafen kann.“
Adlers Leben hat sich in vielerlei Hinsicht in den vergangenen Monaten verändert. Der Wahl-Hamburger ist mittlerweile Unternehmer, TV-Experte, Teilzeitstudent und Vollzeitvater. Sohn Casper kam im März zur Welt und stellte das komplette Leben noch einmal auf den Kopf. „Als Spieler ist das ganze Leben ja durchorganisiert“, sagt Adler. „Ich wollte raus aus der Fremdbestimmtheit des Fußballs. Ich möchte frei entscheiden, wie ich das weiße Blatt, das nach meiner Karriere vor mir liegt, ausfülle.“
Fußball spielt für Adler derzeit "keine Rolle"
Grundsätzlich kann sich der 35-Jährige auch eine zweite Karriere im Profifußball vorstellen, aktuell anstreben will er diese aber nicht. „Kurzfristig spielt es für mich keine Rolle, wieder zurück in den Fußball zu gehen“, sagt Adler. „Wenn mein neues Leben eine Überschrift braucht, dann wäre es: Weiterbildung. Ich habe mir bewusst zwei Jahre genommen, um mich weiter zu bilden.“
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Nach seinem Sportmanagement-Abschluss 2015 absolviert der gebürtige Leipziger gerade ein Masterstudiengang der Uefa mit dem Namen MIP – Executive Master for International Players. Es ist ein Studium für Nationalspieler und Profis mit Champions-League-Erfahrung, das auch schon Adlers früherer Kollege und heutiger Freund Simon Rolfes von Bayer Leverkusen abgeschlossen hat. Je eine Woche im Monat wird an unterschiedlichen Orten dieser Welt gepaukt: in Nyon, Paris, Amsterdam, London, Barcelona oder auch New York. In seinem aktuellen Jahrgang sind auch der ehemalige Chelsea-Star Didier Drogba, der Brasilianer Kaká und der frühere Bremer Clemens Fritz dabei. Auch den Titel seiner Masterarbeit hat der frühere Nationaltorhüter bereits im Kopf: „Die Überprofessionalisierung im deutschen Nachwuchsbereich und die Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung.“
Adler über den HSV: "Es hat ja Gründe, warum man jetzt ist, wo man ist"
„Es geht auch darum, als Ex-Fußballer aus seiner Komfortzone zu kommen“, sagt Adler, der an diesem Montag nach Berlin fährt, um für seine Masterarbeit den früheren HSV-Sportdirektor Bernhardt Peters zu befragen. „Die Frage ist ja: Wie viel Geld muss ein A-Jugendlicher heute überhaupt verdienen? Und was macht das alles mit seiner Persönlichkeit? Ich gehe der Frage nach, ob man das Rad noch zurückdrehen kann.“
Das Rad zurückdrehen könne der HSV dummerweise nicht. „Es hat ja Gründe, warum man jetzt ist, wo man ist“, sagt Adler, der daran erinnert, dass es mit jedem Jahr in der Zweiten Liga schwieriger werden würde, zurück in die Bundesliga zu kehren. Dabei erinnere er sich so gerne an alte Zeiten – und sogar die Bundesliga-Trainingslager – zurück.
"2012 war der HSV eine coole Truppe"
„2012, als ich zum HSV gewechselt bin, waren wir eine coole Truppe. Im Trainingslager in Schweden waren wir vier Tage lang in der Wildnis ohne Handyempfang. Ich erinnere mich heute noch, wie viel ich damals gelacht habe.“ Zum Beispiel über Heung Min Son, der sich mit seinem Paddelboot immer im Kreis gedreht habe. Oder über Tomas Rincon, der nur wenige Meter vom Zelt entfernt vor der ganzen Mannschaft sein großes Geschäft erledigt habe.
In den meisten Trainingslagern habe er sich ein Zimmer mit dem heutigen HSV-Präsidenten Marcell Jansen geteilt. „Cello hat sich immer Beistellbetten ins Zimmer reinstellen lassen, weil ihm die Matratzen nicht gepasst haben“, sagt Adler. „Er hat auch immer den Schreibtisch annektiert und sein Büro eingerichtet.“
Eine Rückkehr zum HSV hat nicht in Adlers Planungen gepasst
Vor Jansen Entscheidung, mit 29 Jahren die aktive Karriere zu beenden und sich als Funktionär verdient zu machen, habe er Respekt. „Cello war immer sehr umtriebig“, sagt Adler, der sich noch ab und an mit Jansen trifft. Dessen Idee, auch Adler beim HSV zu reintegrieren, musste er aber ablehnen. „Das hat in meine Planung nicht gepasst.“
Doch was nicht ist, kann bekanntlich ja noch werden.