Hamburg. Im täglichen Abendblatt-Podcast spricht der renommierte Jurist über Hoffmanns Rauswurfklausel und die Coronafolgen.
Vier Tage ist es bereits her, dass der AG-Aufsichtsrat des HSV den bisherigen Vorstandschef Bernd Hoffmann freigestellt hat. Doch noch immer ist die Trennung und die Folgen davon das beherrschende Thema rund um den HSV. Zur Erinnerung: Bereits zwei Wochen vor der Entlassung hat das Abendblatt über eine Klausel in Bernd Hoffmanns Vertrag berichtet, nach der man den 57-Jährigen im Fall des Nicht-Aufstiegs vorzeitig in diesem Sommer entlassen könnte.
Denn eigentlich läuft Hoffmanns Vertrag noch bis zum 30. Juni 2021. Nun stellt sich coronabedingt allerdings die Frage, ob die Rauswurfklausel überhaupt noch rechtens ist. In unserem täglichen Abendblatt-Telefon-Podcast „HSV – wir reden weiter“ haben wir mit Anwalt Horst Kletke über diese Thematik gesprochen. Der renommierte Sport-, Arbeits- und Kündigungsjurist hat sich schon manches Mal mit dem HSV vor Gericht getroffen. Im Podcast spricht Kletke unter anderem über…
… die Gültigkeit der Klausel in Bernd Hoffmanns Vertrag, wonach sein bis 2021 laufender Vertrag vorzeitig (vier Wochen vor dem Ende des Geschäftsjahrs am 30. Juni) schon in diesem Sommer im Falle des Nichtaufstiegs gezogen werden kann, und die Frage, ob diese Klausel durch Corona ihre Wirkung verliert:
„Ich denke schon, dass die Klausel auch in Coronazeiten im Allgemeinen noch wirksam ist. Sie wurde vor der Ausbreitung der Pandemie verfasst. Sonderregellungen, zum Beispiel im Insolvenzrecht, müssen einen direkten Coronabezug haben. Den gibt es hier nicht. Der HSV kann die Klausel dementsprechend immer ziehen. Allerdings muss dann schon im Speziellen nach der Wirksamkeit gefragt werden. Da sind die Juristen ganz unromantisch. Wenn die verfassten Bedingungen Nicht-Aufstieg und vier Wochen vor dem 30. Juni lauten, dann muss man ganz nüchtern festhalten, dass es bis zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich keine sportlichen Entscheidungen über den Auf- und Abstieg getroffen werden. Vermutlich wird die Bedingung also nicht eingetreten sein – und dann könnte man die Klausel eben nicht ziehen.“
…das Anpassungsrecht 313 BGB…
„Über diese Thematik könnte man sich in der Tat Gedanken machen. Hierbei geht es um das Wegfallen der Geschäftsgrundlage. Der HSV hat allerdings eine Frist von vier Wochen benannt, die der Club auch ohne Corona gar nicht hätte nennen müssen. Man hätte die Klausel auch einfach an das Feststehen des sportlichen Ereignisses, also an den Aufstieg, festmachen können.“
…den möglichen Widerspruch, dass die Klausel einerseits wirksam scheint – auch in Corona-Zeiten – , dass sie andererseits aber im wahrscheinlichen Fall, dass Anfang Juni noch keine sportliche Entscheidung gefallen ist, eben nicht wirksam ist:
„Wenn man mit drei Juristen redet, dann wird man wahrscheinlich sechs Meinungen bekommen. Nach der jetzigen Lage wird der HSV vermutlich die Klausel ziehen wollen, auch ohne dass der Sachverhalt Aufstieg oder Nichtaufstieg feststeht. Ob es tatsächlich rechtmäßig ist oder nicht, wird man erst wissen, wenn man weiß, wie es dann weiter geht. Meine erste Meinung, die ich mir gebildet habe, ist aber, dass es eher nicht rechtmäßig ist. Es gibt ja in der Klausel die Vier-Wochen-Frist, und die setzt voraus, dass zu diesem Zeitpunkt der Nicht-Aufstieg feststeht.“
…die theoretische Möglichkeit, dass die Saison vorzeitig abgebrochen wird und der HSV dann gar nicht mehr die sportliche Chance erhalten würde, um den Aufstieg zu spielen:
„In diesem Fall würden sich noch sehr viel schwierigere Fragen stellen. Denn die Klausel bezieht sich ja ausschließlich auf ein sportliches Ergebnis. Also: Nur wenn der HSV den Aufstieg sportlich verpasst, kann die Klausel auch wirksam werden. Bei einem Saisonabbruch hätte der HSV den Aufstieg aber nicht sportlich verpasst. In diesem Fall würde die Klausel ohnehin nicht greifen. Dann könnte sich der HSV auch nicht auf das Anpassungsrecht nach 313 BGB berufen. Aber Herr Hoffmann könnte dann auf die Fortführung seines Vertrages bis zum 30. Juni 2021 bestehen. Man kann Herrn Hoffmann ja möglicherweise viel Kritik entgegen bringen, aber an der Pandemie hat er sicherlich keine Schuld. Insofern könnte man ihn auch nicht durch die Klausel für einen Nicht-Aufstieg verantwortlich machen, wenn der HSV diesen sportlich gar nicht erreichen könnte.“
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…die theoretische Möglichkeit, sämtliche Spielerverträge ein paar Monate zu verlängern, sollte die aktuelle Saison auch noch im Juli oder August weiterlaufen:
„Verträge sind so zu erfüllen, wie sie geschlossen wurden. Die DFL könnte also nicht per Verbandsrecht die Spielerverträge um einen oder zwei Monate kollektiv verlängern. Das ist nicht möglich. DFL und DFB sind dritte Parteien, die außerhalb des Arbeitervertrags stehen. Aber: Natürlich könnten individuelle Vereinbarungen zwischen den jeweiligen Club und seinen Spielern, Trainern und Mitarbeitern getroffen werden. So könnten Verträge, die eigentlich zum 30. Juni auslaufen, um ein, zwei oder drei Monate verlängert werden. Und ich bin guter Dinge, dass genau das möglich wäre. Wenn aber ein Spieler nicht zustimmt, dann ist dieser ab 30. Juni vertragslos.“
…die theoretische Möglichkeit, ab dem 1. Juli dann vertragslose Spieler zu verpflichten, die in der laufenden Saison noch eingreifen:
„Aus arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten wäre das möglich. Allerdings wäre in so einem Fall das Verbandsrecht gefragt, ob dies möglich wäre.“
Den kompletten Podcast können Sie ab sofort kostenlos hören. Viel Spaß!