Hamburg. Hauptsponsor könnte bei Nichtaufstieg aussteigen. Club muss finanzielle Hürden bewältigen. Auch Kurzarbeit wird geprüft.

Mit Spannung schauten die HSV-Verantwortlichen am Dienstag nach Frankfurt. Oder genauer gesagt: in die Übertragung der ersten virtuellen Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball-Liga. Am Nachmittag hatte die DFL mitgeteilt, dass der Ligabetrieb im Mai in Form von Geisterspielen fortgesetzt werden soll.

Für die deutschen Proficlubs ist das eine wichtige Nachricht, schließlich geht es für viele um die existenziell wichtigen Einnahmen aus der TV-Vermarktung. 62 Millionen Euro werden in den verbleibenden neun Spielen in der Zweiten Liga noch ausgeschüttet. 5,6 Millionen Euro entfallen davon an den HSV. Klar ist allerdings auch, dass die Hamburger bei noch fünf ausstehenden Heimspielen auf Zuschauereinnahmen von rund 7 Millionen Euro verzichten müssen.

Nach der Freistellung des Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann am vergangenen Sonnabend stehen die verbliebenden Vorstände Frank Wettstein (Finanzen) und Jonas Boldt (Sport) auch bei einer Fortsetzung der Saison in den kommenden Wochen und Monaten vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen. Wie es finanziell beim HSV weitergeht, hängt entscheidend davon ab, ob die Hamburger den Wiederaufstieg in dieser Saison noch schaffen.

HSV könnte Hauptsponsor verlieren

Sollte der Club bei einer Fortsetzung der Spielzeit den Aufstieg erneut verpassen, droht ihm ein weiteres Problem. Denn dann könnte der HSV unter Umständen seinen Hauptsponsor verlieren. Erst im vergangenen Juni hatte der Zweitligist den auslaufenden Vertrag mit seinem langjährigen Trikotsponsor Emirates bis 2022 verlängert. Nach Abendblatt-Informationen könnte das Flugunternehmen aber aus dem Vertrag aussteigen, sollte der HSV die Rückkehr in die Bundesliga erneut verpassen. Hinzu kommt, dass Emirates wie alle anderen Airlines durch die Coronakrise besonders schwer getroffen wurde und sein Sponsoring bei den Fußballclubs überdenken dürfte.

Die gute Nachricht für die HSV-Verantwortlichen: Auf Abendblatt-Nachfrage teilte Emirates am Dienstag mit, dass der Vertrag wie im vergangenen Jahr vereinbart bis 2022 weiterlaufen soll. Ein Unternehmenssprecher sagte dazu: „Natürlich freut sich Emirates, wie alle Fans auch, wenn der HSV wieder in die Bundesliga zurückkehrt.“ Trotzdem werden sich Marketingchef Henning Bindzus und sein Team auf alle Szenarien vorbereiten, um für alle Fälle eine Lösung auszuarbeiten.

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Überhaupt muss sich der HSV in den kommenden Wochen auf alle möglichen Szenarien vorbereiten. So hatte es am Montag auch Präsident und Aufsichtsratschef Marcell Jansen bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Machtwechsel im Volkspark formuliert. „Es ist immer ein Thema, den Club handlungsfähig zu halten und abzusichern. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen“, sagte Jansen. Dabei ging es um die Frage, ob der HSV perspektivisch weitere AG-Anteile an Investor Klaus-Michael Kühne verkaufen will.

„Für den HSV ist Herr Kühne eine Chance"

Dem steht allerdings die Satzung entgegen. Jansen selbst hatte vor einem Jahr in seiner Funktion als Vereinspräsident den Beschluss der Mitglieder umgesetzt, die Grenze von 24,9 Prozent zu veräußernder Anteile in der Satzung festzuschreiben. Am Montag machte er deutlich, dass er die Mitglieder „mit auf die Reise nehmen“ werde, sollte der HSV über weitere Anteilsverkäufe an frisches Eigenkapital kommen wollen. Zum 30. Juni 2019 wurde das Eigenkapital der HSV Fußball AG auf 41,1 Millionen Euro beziffert. Dieses dürfte sich angesichts der Coronakrise im laufenden Geschäftsjahr aber wieder reduzieren. Schon vor dem Ausbruch der Pandemie hatte der Club intern ein neues Millionenminus für das Jahr 2019/20 prognostiziert.

„Wenn der HSV der Meinung ist, er braucht neues Eigenkapital, wäre es wichtig, die Satzung zu ändern“, sagte Finanzexperte Marcus Silbe am Dienstag im täglichen HSV-Podcast des Abendblatts. Der Gründer des Analyseunternehmens FMR aus Frankfurt beobachtet in seinem Job gleichermaßen den Finanz- und den Fußballmarkt. Silbe geht davon aus, dass Investor Kühne (20,6 Prozent) deutlich mehr Anteile an der HSV AG erwerben würde, sofern es die Satzung zulässt. Aktuell kann der HSV nur noch 1,1 Prozent verkaufen.

Finanzexperte Silbe hat errechnet, dass der Club bei gleichbleibender Unternehmensbewertung noch rund zwei Millionen Euro für die restlichen Anteile einnehmen könnte. „Für den HSV ist Herr Kühne eine Chance, weil er abgesehen von den Anteilen keine Gegenleistung fordert“, sagt Silbe. Eine Änderung der AG-Rechtsform in eine GmbH Co. KGaA, in der viele Clubs wie etwa Borussia Dortmund organisiert sind, hält Silbe nicht für notwendig. „Bayern München hat auch eine AG, da funktioniert es auch“, sagt Silbe.

Kurzarbeit für Mitarbeiter der Geschäftsstelle?

Kurzfristig aber muss der HSV noch andere Wege finden als weitere Anteilsverkäufe. Ähnlich wie beim FC Bayern und bei Borussia Dortmund wird sich der HSV daher zeitnah auch mit dem Thema Gehaltsverzichte beschäftigen. Sowohl die Spieler als auch die Manager haben ihre Bereitschaft dazu schon erklärt. Nach Abendblatt-Informationen prüfen die Verantwortlichen derzeit auch die Option, Mitarbeiter der Geschäftsstelle in die Kurzarbeit zu schicken.

Die beste Möglichkeit, die Finanzen zu verbessern, wäre aber zweifelsfrei der Aufstieg in die Bundesliga. Dann würden nicht nur die TV-Einnahmen deutlich steigen. Auch die Gespräche mit Kühne über eine Verlängerung der Stadionnamensrechte dürften schnell gehen. Und mit Emirates würde nicht nur der Vertrag weiterlaufen. Der HSV würde dann auch deutlich mehr Geld vom Unternehmen aus Dubai bekommen.

Den ganzen Podcast mit dem Finanzexperten Marcus Silbe finden Sie kostenfrei hier: